Trumps 20-Punkte-Kolonialplan für Gaza

Trumps Frieden für Gaza bedeutet Kolonialverwaltung und Kapitalexport. Trump plant die militärische, ökonomische und ideologisch-kulturelle Unterdrückung der Palästinenser in Gaza.

Er fordert, dass Gaza eine „deradikalisierte, terrorfreie Zone“ (Punkt 1) werden soll, und verspricht Wiederaufbau zum Wohle seiner Bevölkerung (Punkt 2). Die meisten der folgenden 18 Punkte konkretisieren die ersten beiden.1

In Punkt 3 verspricht er einen Waffenstillstand und Rückzug der israelischen Truppen. Diese beiden Versprechen werden später relativiert.

In den Punkten 4–6 bietet er einen Gefangenenaustausch an, der dem Umstand Rechnung trägt, dass Israel weit mehr palästinensische Kriegsgefangene hat als andersherum.

In Punkt 7 verspricht er einen Wiederaufbau der zerstörten Infrastruktur und somit eine Verbesserung der Lebensbedingungen des Volkes in Gaza. In Punkt 8 verspricht er von Israel und implizit auch der GHF unabhängige Hilfslieferungen. Dies wäre ein Ende der genozidalen Aushungerung.

In Punkt 9 fordert Trump eine „vorübergehende Übergangsverwaltung eines technokratischen, unpolitischen Komitees“ aus „qualifizierten Palästinensern und internationalen Experten“. Dieses soll von Trump geführt werden, und Tony Blair soll Teil davon sein. Das bedeutet eine von den Imperialisten geführte Regierung, die keine demokratische Legitimation hat und aus palästinensischen Lakaien besteht, soll die Kolonialverwaltung Gazas werden – aber bloß „vorübergehend“. Diese Kolonialverwaltung soll modern und effizient sein, der Bevölkerung Gazas dienen, und Investitionen anziehen. Die nächsten beiden Punkte sprechen von einem wirtschaftlichen Entwicklungsplan und der Einrichtung einer Sonderwirtschaftszone.

Gaza soll also kolonial verwaltet und ausgebeutet werden. Gaza soll von den Imperialisten regiert werden, von den Imperialisten ausgebeutet werden und die Bevölkerung soll ohne demokratische Rechte und nationale Selbstbestimmung dastehen. Wenn es stimmt, dass Gaza in Zukunft ein Ziel für westlichen Kapitalexport sein soll, dann wird es eine Kolonie ohne Staatsbürger- und Arbeitsrechte, deren Regierung an der Ausbeutung des Volkes schmarotzt.

Der nächste Punkt behauptet, dass vom Zweck der ethnischen Säuberung Gazas Abstand genommen werde. Das passt auch zum Vorhaben, Gaza auszubeuten. Und das ist auch der positive Aspekt der Ausbeutung. Denn wenn die Imperialisten die Reichtumsquellen Gazas, Natur und Menschen, ausbeuten wollen, dann steht das zumindest im Widerspruch zu Genozid und Vernichtungskrieg. Außerdem ermöglicht es der Bevölkerung Gazas wieder ökonomische Kampfformen wie die Streiks während der Intifada. Die Streiks während der Intifada waren auch der Hauptgrund Israels die Relevanz der Arbeiterklasse in Gaza für die israelische Wirtschaft zu reduzieren.

Punkt 13 schafft dann gleich wieder den Vorwand, den Krieg gegen das palästinensische Volk wieder aufzunehmen. Die „Entmilitarisierung Gazas“ meint, dass das palästinensische Volk und seine Organisationen keine Waffen haben sollen. Denn das ist die militärische Voraussetzung einer funktionierenden Kolonialverwaltung – die Entwaffnung des antikolonialen Widerstands. Gleichzeitig lässt sich natürlich überhaupt nicht sicher sagen, ob das Ziel, eine klandestine Guerillaarmee zu entwaffnen, erfolgreich umgesetzt wurde. Daher wird man unter diesem Vorwand immer wieder koloniale Gewalt ausüben können.

Die Hamas, Saraya Al-Quds und die PFLP haben bereits gesagt, dass sie sich nicht entwaffnen lassen werden. So oder so wird der Wille des palästinensischen Volkes zu rebellieren sich seine Formen und Organisationen schaffen, und auch der bewaffnete Kampf wird weitergehen.

Nach zwei Jahren Genozid fehlt es Israel allerdings an der nötigen Legitimität, eine koloniale Herrschaft zu errichten, die auf Ausbeutung und nicht auf Vernichtung abzielt – und außerdem zielt die zionistische Siedlerkolonie eben nicht auf Ausbeutung, sondern auf Vernichtung und Vertreibung der Palästinenser ab, und lässt sich daher kaum für den imperialistischen Zweck der Ausbeutung einspannen. Daher sollen „regionale Partner“ diese Aufgabe übernehmen. Die International Stabilization Force soll die Israel Defense Force als Besatzungsmacht ablösen, und palästinensische Polizeikräfte, also Volksverräter wie die IS-Milizen, die aktuell für Israel kämpfen, für die Besatzung benutzen. Im gleichen Punkt wird auch angesprochen, dass die Einfuhr von Munition verhindert werden solle, wohingegen schneller und sicherer Warenfluss ermöglicht werden solle. Diese beiden Dinge stehen im Widerspruch zueinander. Die geplante koloniale Ausbeutung Gazas birgt also auch die Chance, dass die Belagerung gelockert wird, und die Bewaffnung des Widerstandes erleichtert wird.

Weiterhin verspricht Trump, dass Israel Gaza weder besetzen noch annektieren werde, denn die Öl-Scheichs und Erdogan besetzen ja Gaza für die USA. Die alte Besatzungsmacht wird also durch neue Besatzungsmächte abgelöst.

Ein „interreligiöser Dialogprozess“ soll die Palästinenser Toleranz gegenüber den Besatzern und friedliches Zusammenleben mit den Unterdrückern lehren.

Durch diesen direkten Kolonialismus sollen die Bedingungen geschaffen werden für einen zukünftigen indirekten Halbkolonialismus: Wenn Gaza ökonomisch unterworfen und politisch umerzogen wurde, und eine palästinensische Kompradorenbourgeoisie etabliert wurde, dann kann man dieser die formelle Souveränität, die im Interesse der USA, also inhaltlich fremdbestimmt, benutzt wird, zugestehen.

Trump nutzt zwei Jahre Genozid, um eine neue Form der kolonialen Unterdrückung Gazas durchzusetzen, die seinen Interessen an den Reichtumsquellen vor Ort und der strategischen Orientierung gegen China, für die er Ruhe in Westasien will, entspricht und die palästina-solidarische Rebellion auf der ganzen Welt besänftigt. Trump übertreibt natürlich mit seinen KI-Videos, das ist die moderne, noch abgefahrenere Version von Kohls „blühenden Landschaften“. Man muss sich darunter eine billigere, auf Rentabilität spekulierende koloniale Unterdrückung der Palästinenser in Gaza vorstellen. Er will den Belagerungszustand der Jahre vor der Al-Aqsa-Flut aufheben, und durch Kapitalakkumulation dafür sorgen, dass die Kolonialverwaltung ihre eigenen Kosten trägt, und den Palästinensern je nach Klassenlage durch Lohn und Profite ein weniger antagonistischer Bezug auf den Imperialismus nahe gelegt wird. Das bleibt widersprüchlich, weil die Palästinenser immer noch ausgebeutet und unterdrückt werden, aber es ist auf andere Art antagonistisch als ein Belagerungszustand, und sicherlich weniger antagonistisch als ein genozidaler Krieg, und es wird weniger weltweite Empörung und Rebellion hervorrufen. Er spekuliert auf eine billigere, vielleicht profitable Kolonialisierung Gazas.

Die USA sind die hegemoniale Supermacht der aktuellen Weltordnung, doch aufgrund des ökonomischen Aufstiegs des Rivalen Chinas brauchen sie, der aktuelle Hegemon, eine Revision ihrer eigenen Weltordnung. Der Erste Weltkrieg war das Resultat davon, dass das Deutsche Reich als ökonomisch aufstrebender Rivale des Britischen Empire die britische Weltordnung revidieren wollte. Der Zweite Weltkrieg war das Resultat davon, dass die faschistischen Achsenmächte die immer noch hauptsächlich britisch dominierte Weltordnung revidieren wollten. Das Ergebnis dieser beiden Weltkriege war, dass die andere aufstrebende imperialistische Macht, die USA, sich als hegemoniale Supermacht etablieren konnten. Heute garantieren die von den USA durchgesetzten Regeln aber nicht mehr ihren Erfolg, weshalb sie neue Regeln wollen. Dafür brauchen sie vielleicht einen Dritten Weltkrieg, aber auf jeden Fall die Fähigkeit, damit zu drohen. Mindestens müssen sie mehrere Exempel an unterdrückten Nationen statuieren, um der Welt zu drohen, und Gehorsam für die neue US-Weltordnung herbei zu erpressen – wobei ein Erfolg dessen China in die Rolle des klassischen aufstrebenden Weltordnungsrevisionisten bringen würde und die direkte Konfrontation der imperialistischen Weltmächte wieder auf dem Tisch wäre.
Israels Genozid in Gaza und sein regionaler Krieg gegen den Libanon, Syrien, den Jemen, und den Iran waren nützlich in Bezug auf die Vorbereitung des Dritten Weltkriegs, weil sie verschiedenen antiimperialistischen Gruppen in Westasien und der russisch-chinesischen Halbkolonie Iran großen Schaden zugefügt haben.

Allerdings hat die Rechtfertigung des westlichen Imperialismus als Menschenrechte und Demokratie exportierender Heilsbringer, an dessen Wesen die Welt genesen soll, massiven Schaden genommen. Millionen von Menschen in Europa, Australien und Amerika sind desillusioniert und idealisieren den Staat nicht mehr. Das wahre Gesicht ihrer Demokratie: Massenmörder, das sind sie! Die Zahl der Menschen, die diese Parole verstehen und richtig finden, ist massiv gestiegen. Wir erleben die größte antiimperialistische Bewegung seit 1968. Auf der ganzen Welt sind Millionen von Menschen für die Freiheit Palästinas und gegen den Imperialismus auf die Straße gegangen. Außerdem verbrauchen die Kriege Israels (und der Ukraine) riesige Mengen an Material und Geld, die den USA fehlen, um ihre Bestände für einen Dritten Weltkrieg aufzustocken.

Der Preis, den die USA bezahlen, um Israels kriegerische und genozidale Politik zu unterstützen, wird zu hoch. Daher versucht Trump die Intensität der ethnischen Säuberung Palästinas an der Front in Gaza massiv zu reduzieren – das ändert aber nichts daran, dass die ethnische Säuberung ganz Palästinas die Staatsräson Israels ist.

So viel zumindest zur offiziellen Agenda von Trump. Ob die Zugeständnisse nur Versprechen sind, um eine Entwaffnung durchzusetzen, und sie dann einzukassieren, können wir nicht beurteilen. Zumindest Friedrich Merz hat die Hoffnung, dass sich die veränderte Weltlage in einem höheren Maß sozialen Friedens ausdrückt, so formuliert:

Ich hoffe sehr, dass dann auch ein bisschen innenpolitisch wieder Ruhe einkehrt«, sagte der CDU-Chef dem ARD-Hauptstadtstudio auf die Frage, was die vereinbarte Freilassung der Geiseln und das Ende der Kämpfe hierzulande bedeuten würde. […] Der Kanzler fügte hinzu, es gebe »keinen Grund mehr, jetzt für Palästinenser in Deutschland zu demonstrieren«. »Es ist dann Frieden in Gaza, und das ist eine gute Nachricht.2

Der Kampf der Befreiung Palästinas geht in eine neue Phase über. Wenn die Entwaffnung verhindert wird, dann ist es in der Hauptsache eine Verbesserung. Die Bedingungen des Kampfes verbessern sich in vielerlei Hinsicht im Vergleich zur aktuellen Situation und in mancherlei Hinsicht sogar im Vergleich zur Zeit vor der Al-Aqsa-Flut. Selbst wenn jetzt Teile des Widerstands kapitulieren sollten, wird der Wille zur Rebellion des palästinensischen Volkes neue Formen der Praxis und Organisation finden, und auch der bewaffnete Kampf wird weiter gehen.

Palästina ist erst frei, wenn es vom Meer bis zum Fluss reicht, und im Rahmen der proletarischen Weltrevolution der Imperialismus zerschlagen wurde.

1 Den vollständigen Wortlaut findet man z.B. hier: https://www.aljazeera.com/news/2025/9/29/heres-the-full-text-of-trumps-20-point-plan-to-end-israels-war-on-gaza

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