Thesenpapier: Das Finanzkapital

These 1: Maßlosigkeit des Profits und Konkurrenz des Kapitals
Der Zweck von Unternehmen aus Geld mehr Geld zu machen, ist in sich maßlos. Die Unternehmen verfolgen den Zweck der Geldvermehrung gegeneinander. Sie investieren in Rohstoffe, Produktionsmittel und Arbeitskräfte. Dabei spekulieren sie darauf, die Produkte der Arbeit gewinnbringend zu verkaufen. Die Lohnarbeit ist also notwendig Ausbeutung, und die Unternehmen konkurrieren um Absatz. Die Mittel in dieser Konkurrenz (Produktivkraftentwicklung, Werbung, etc.) kosten Geld. Folglich ist die Größe des Kapitals maßgeblich für den Erfolg. Somit tritt das Interesse des Kapitals ihm durch die Konkurrenz nochmal als Zwang gegenüber. Hierin besteht eine Tendenz zum Monopol.

These 2: Die Notwendigkeit des Kredits: Umschlagszeit und Konkurrenz
Die Produktion der Ware und ihr Verkauf, also die Verwertung des Kapitals, fallen nicht zusammen.
Deswegen ist erstens die Umschlagszeit ein Abtrag vom Zweck der Geldvermehrung. Denn zurückfließende Summen, die zu gering für eine Reinvestition sind, liegen als Schatz vor und widersprechen in dieser Form dem Zweck der Vermehrung. Der Kredit ermöglicht durch Verweis auf hoffentlich erfolgreichen Umschlag, so zu tun, als sei dieser geschehen.
Zweitens braucht es den Kredit für die Größe der mobilisierbaren Kapitalmacht.
Insbesondere richtet sich der Termin zu dem ein gesamter Maschinenpark ausgetauscht werden muss, weil er nicht mehr dem Stand der Konkurrenz entspricht, nicht an der Zahlungsfähigkeit des Einzelkapitals aus, sondern wird durch die Konkurrenz gesetzt; folglich braucht es dafür Kredit.

These 3: Die Ware und der ökonomische Zweck der Bank
Das Bankkapital verkauft gegen ein Zinsversprechen die Kapitaleigenschaft des Geldes. Es erlaubt dem Kreditnehmer über eine Summe befristet zu verfügen und sie als Mittel der eigenen Geldvermehrung zu benutzen. Dadurch wird die Eigenschaft des Geldes als Kapital zu wirken vom Eigentum am Geld abgetrennt und als Ware verkauft.
Für das Bankkapital ist das verliehene Geld allein durch das Verleihen Kapital. Der Verwertungsprozess besteht allein in der Dauer dieses Rechtsverhältnisses zwischen Bank und Unternehmen. Im Zins wird so getan als ob es am Geld liege, dass es sich vermehrt und nicht etwa an erfolgreich stattfindender Ausbeutung. Das Bankkapital spekuliert auf von ihm angeheizte Konkurrenzerfolge und tut dabei so als würden sie mit Sicherheit eintreten. Dies ist der grundlegende Widerspruch der Spekulation beim Kredit.

These 4: Konkurrenz um Absatz wird zur Konkurrenz um Kreditwürdigkeit
Die Kriterien des Bankkapitals für die Vergabe von Kredit sind die Höhe und Sicherheit des Zinses, die es gemäß der Erfolgsaussichten des kreditnehmenden Unternehmens in der Konkurrenz bestimmt. Dadurch entwickelt sich die Konkurrenz um Absatz zur Konkurrenz um Kreditwürdigkeit. Dies verschärft die Konkurrenz. Denn je mehr Kapitalmacht ein Unternehmen hat, desto kreditwürdiger ist es, wodurch die Tendenz zum industriellen Monopol gesteigert wird. Andererseits werden die Einzelkapitale von ihrer Branche befreit, wodurch die Tendenz zum industriellen Monopol gemindert wird.

These 5: Die Kreditschöpfung und der bargeldlose Zahlungsverkehr
Das Bankkapital verschuldet sich bei all seinen Kunden, indem es ihnen durch einen Zins die Verfügung über deren Geld abkauft. Diese Schulden benutzt es, um Kredite zu vergeben. Die vergebenen Kredite wiederum benutzt es als Sicherheit, um sich zu verschulden.
Weiterhin ersetzt es Einzahlungen bei ihm mit einer Gutschrift; auf dem Konto liegt kein Bargeld, sondern Buchgeld. Auch bei Krediten wird dem Kreditnehmer kein Bargeld in die Hand gedrückt, sondern ein Betrag auf seinem Konto gutgeschrieben. Im bargeldlosen Zahlungsverkehr zwischen den Banken werden diese Gutschriften miteinander verrechnet.

These 6: Kreditwürdigkeit ist Folge und Bedingung des Geschäftserfolgs und erfordert Liquiditätsmanagement
Das Geschäft einer Bank beruht auf ihrer Kreditwürdigkeit. Denn eine Bank refinanziert ihre Kreditvergabe durch ihre eigene Verschuldung bei anderen Banken. Ihre Zahlungsfähigkeit hängt hauptsächlich von ihrer Kreditwürdigkeit ab. Um zahlungsfähig zu sein, muss sie bei den anderen Banken das Vertrauen in den Erfolg ihrer Spekulation aufrechterhalten. Dafür muss auf sie als Schuldner Verlass sein, was bedeutet, dass sie pünktlich zu den Zahlungsfristen ihrer Schulden über Zahlungsfähigkeit verfügen muss. Entweder über Einnahmen aus vergebenen Krediten, neue Schulden oder durch den Verkauf von eigenen Vermögenswerten. Wenn ihre Zahlungsfähigkeit in Zweifel gezogen wird, darunter ihre Kreditwürdigkeit leidet, dann ist sie auch ganz schnell wirklich zahlungsunfähig.

These 7: Monopolisierung des Bankkapitals und Verflechtung
Je größer und erfolgreicher die laufende Kapitalakkumulation einer Bank ist, desto größer ist ihre Kreditwürdigkeit, also ihre Fähigkeit zur Kreditvergabe, also ihre Fähigkeit noch größere und erfolgreichere Kapitakkumulation zu betreiben. Folglich monopolisiert sich das Bankkapital. Die Spirale aus Kreditschöpfung und Kreditwürdigkeit sorgt nicht nur für eine Monopolisierung des Bankkapitals, sondern auch dafür, dass die Banken durch gegenseitige Verschuldung so sehr miteinander verflochten sind, dass der Bankrott einer Großbank die Kreditschöpfung und Kreditwürdigkeit aller Banken in Frage stellt, deren Erfolg von ihrem Erfolg abhängig ist; die Banken werden „too big to fail“ bzw. „systemrelevant“.

These 8: Staatliche Bestätigung der Kreditschöpfung zwecks Mehrung staatlicher Finanzmacht
Der Staat ergänzt seine formelle Erlaubnis zur Kreditschöpfung um die materielle Anerkennung von Kredit und Buchgeld durch die Zentralbank. Die Banken können sich bei der Zentralbank verschulden, wenn sie geschöpfte Kredite als Sicherheit hinterlegen. Dadurch setzt die Zentralbank die Kreditschöpfung der Banken, deren Buchgeld, mit ihrem Kreditgeld, dem gesetzlichen Zahlungsmittel gleich.
Außerdem ist die nationale Währung dadurch Kreditgeld und mit dem Anspruch auf Verzinsung ausgestattet. So wird die gesamte nationale Kapitalakkumulation und der Kapitalexport ein Beitrag zum Wert der nationalen Währung, weil es das nationale Kreditgeld rechtfertigt und somit die Kreditwürdigkeit des Staats und seine Macht sich zu verschulden, mehrt.

These 9: Das Finanzkapital als Verschmelzung von Industrie- und Bankkapital
Das monopolistische Industriekapital und das monopolistische Bankkapital verschmelzen miteinander zum monopolistischen Finanzkapital, wodurch sich die ökonomische Macht zur Manipulation der Konkurrenz potenziert. Der ökonomische Erfolg des sich miteinander absprechenden und konkurrierenden, monopolistischen Industriekapitals und des dieses kreditierenden, sich absprechenden und konkurrierenden, monopolistischen Bankkapitals bedingen einander. Der Erfolg des Industriekapitals hängt vom Erfolg des Bankkapitals ab und umgekehrt. Der Widerspruch einer Konkurrenz um Absatz, die vom allgemeinen Erfolg abhängig ist, damit sich zahlungsfähige Käufer finden, entwickelt sich weiter zum Widerspruch einer Konkurrenz um Kredit, der nur zur Verfügung steht, wenn die Banken allgemein erfolgreich auf die Kapitalakkumulation konkurrierender industrieller Monopole spekulieren.
Die allgemeine Abhängigkeit aller Kapitalisten vom Erfolg aller Kapitalisten hat eine besondere und quantitative Seite. Das Abhängigkeitsverhältnis zwischen bestimmten industriellen Monopolen und bestimmten Bankmonopolen lässt sie zu finanzkapitalistischen Monopolen verschmelzen; die Banken sind hierbei die mächtigere, also hauptsächliche Seite des Widerspruchs. Diese finanzkapitalistischen Monopole haben einen erheblichen Überblick über die Produktion und die Kapitalverwertung und beenden die Anarchie der Konkurrenz kleiner Privatproduzenten durch planmäßiges Eingreifen, dass die Konkurrenz nicht abschafft, sondern zur Konkurrenz der relativen Monopole weiterentwickelt.

Literatur:

Marx: Das Kapital, Band 1-3. MEW Bd. 23-25. (besonders Bd. 25)

Lenin: Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus. LW Bd. 22, S. 191-309.

GegenStandpunkt: Das Finanzkapital.

Gruppen gegen Kapital und Nation: Was ist hier eigentlich los? Die Finanzkrise 2008 ff.

Gruppen gegen Kapital und Nation: Staatsverschuldung und die Krise im Euroraum.

Tooze, Adam: Crashed. Wie die Finanzkrise die Welt verändert hat.