Editorial: Warum Analyse und Synthese?

Im folgenden Text wollen wir darlegen, was der Zweck des Sperlings ist. Hier findet ihr ihn als PDF.

Wenn man verstanden hat, dass das individuell erfahrene Leid in dieser Gesellschaft Folge einer Klassenlage ist und dass die unterdrückten und ausgebeuteten Klassen des Volkes sich nur unter Führung des Proletariats befreien können, dann relativiert man seinen Individualismus am proletari­schen Klassenstandpunkt und entwickelt eine Bereitschaft zu den Notwendigkeiten der proletari­schen Revolution.

Der proletarische Klassenstandpunkt ist also Resultat einer relativen Einsicht in die Notwendigkei­ten der Revolution und hat den Willen zu ihrer Umsetzung gemäß der proletarischen Methode und weitere Einsicht in die proletarische Weltanschauung zur Folge. Proletarischer Klassenstandpunkt, proletarische Weltanschauung und proletarische Methode bilden die Ideologie des Proletariats: Den Marxismus-Leninismus-Maoismus.

Inhaltlich gliedert sich der Marxismus in drei Bestandteile. Der erste Bestandteil ist die marxistische Philosophie, der dialektische Materialismus. Der zweite Bestandteil ist die Anwendung des dialekti­schen Materialismus auf die Gesellschaft und die Geschichte. Das ist nicht nur die politische Öko­nomie im engeren Sinne, sondern die historisch-materialistische Analyse von Basis und Überbau, d.h. von Ökonomie, Staat und Ideologie. Der dritte Bestandteil ist der synthetische Schluss aus der Kritik der Verhältnisse hin zur Methode ihrer Abschaffung, nämlich der wissenschaftliche Sozialis­mus, die Revolutionstheorie.

Die Dialektik von Praxis und Theorie, Analyse und Synthese

Diese drei Bestandteile des Marxismus wurden in der Dialektik von Praxis und Theorie von den Klassikern des Marxismus und vielen anderen Genossen weiterentwickelt. Ausgehend von der Pra­xis wird analytisch eine Theorie entwickelt, die die Welt, wie sie ist, erklärt. Ausgehend von dieser Analyse werden synthetische Schlüsse gezogen, die ableiten, wie man die analysierte Welt verän­dern kann, indem sie die analysierten Teilaspekte zusammen denken. Mit dieser analytischen und synthetischen Theorie wird zur Praxis geschritten und die Praxis wird wiederum zum erneuten, ver­änderten Ausgangspunkt, um die Theorie zu überprüfen und weiterzuentwickeln. Was Lenin und Mao Tse Tung von anderen Genossen unterscheidet, ist, dass sie große kommunistische Parteien und erfolgreiche Revolutionen geführt haben und durch ihre Theoretisierung dieser Praxis die Ent­wicklung der Theorie einen Sprung gemacht hat.

Was Revisionisten regelmäßig tun, ist die Analyse von der Synthese zu trennen und sie dann zu ver­fälschen, damit sich die Synthese nicht mehr logisch daraus ergibt. Dann überzeugt man Massen von der Schlechtigkeit dieser Gesellschaft mit analytischen Argumenten und führt sie auf einen Holzweg. Was Dogmatiker hingegen regelmäßig tun, ist die Synthese in schematisierter Form aus­wendig zu lernen, ohne sie analytisch begründen zu können und zu glauben, dass man mit den Phra­sen dann jemanden überzeugen könnte.

Was die analysierenden Revisionisten mit den synthetisierenden Dogmatikern eint, ist ihr metaphy­sisches Verständnis der Massen. Die Revisionisten haben teils richtige Analysen zur bürgerlichen Ideologie unter den Massen aber kapitulieren dann vor dem Kampf dagegen, weil sie die Massen metaphysisch betrachten und verachten. Die Dogmatiker haben überhaupt kein analytisches Ver­ständnis der Massen, sondern glauben, dass man die Leute Glauben machen muss, man sei die Par­tei, da sie diese ohnehin schon wollten.

Relative Wahrheit und der Marxismus als System

Gemäß dem dialektischen Materialismus gehen wir davon aus, dass es relative Wahrheit gibt. Die relative Wahrheit entwickelt sich durch die Dialektik von Praxis und Theorie stets weiter. Das heißt im Umkehrschluss aber auch, dass auch falsche Theorien einen wahren Kern haben und als Theori­en über die Welt einen objektiven Gehalt. Daher kann man das eigene Wissen über die Welt in der Auseinandersetzung mit falschen Theorien ausweiten. Man muss es auch, denn viele Fragen wurden aufgrund der Schwäche des Marxismus nur von Revisionisten oder gar bürgerlichen Autoren aufge­worfen, und ihre falschen Theorien müssen der Ausgangspunkt von marxistischer Theorieprodukti­on sein; so wie der deutsche Idealismus, die englische, bürgerliche Ökonomie und der französische, utopische Sozialismus der Ausgangspunkt für Marx und Engels waren.

Deswegen ist auch der Umstand, dass viele kleine Organisatiönchen ihre Massen vom Lesen ande­rer Dinge als der „Parteiliteratur“ abhalten, so schädigend für die theoretische Entwicklung. So ent­wickelt sich nichts weiter außer den eigenen theoretischen Fehlern.

Dennoch: Der Marxismus ist ein System, denn er ist die vernünftige Analyse der Welt und die aus dieser Analyse erschlossene Synthese zu ihrer Veränderung. Jeder Teil des Marxismus lässt sich aus einem anderen erschließen, weil sie in einem vernünftigen Verhältnis zueinanderstehen. Da die Din­ge in der Wirklichkeit in einem notwendigen Zusammenhang zueinanderstehen, stehen auch die Ge­danken der die Wirklichkeit erkennenden Theorie in einem vernünftigen Zusammenhang zueinan­der. Wenn man also zum Beispiel nur die politische Ökonomie anerkennt, aber den wissenschaftli­chen Sozialismus ablehnt, dann erkennt man die Prämisse an, aber lehnt den Schluss ab, und man leistet sich einen logischen Widerspruch, macht einen vernünftig nachweisbaren theoretischen Feh­ler. Genauso leistet man sich einen Fehler, wenn man nicht den objektiven Gehalt aus den falschen Theorien der Revisionisten heraus schält und vom Kopf auf die Füße stellt, sondern versucht eklek­tizistisch die Fehler mit dem Marxismus zu verbinden.

Der vernünftige Nachweis, dass ein Teil des Systems aus dem anderen folgt beziehungsweise ein Gedanke dem System fremd ist, muss allerdings inhaltlich als Argument erfolgen und kann nicht durch das dogmatische Pochen auf dem Systemcharakter ersetzt werden. Dogmatiker tragen den Systemcharakter des Marxismus als Phrase vor sich her, um ihre mangelnde Kenntnis dieses Sys­tems zu kaschieren.

Die Anwendung des Marxismus

Der Marxismus-Leninismus-Maoismus ist die Ideologie des Proletariats, einer weltweiten Klasse, und er ist überall gültig. Dennoch ist die Anwendung der Prinzipien auf die besonderen Bedingun­gen des jeweiligen Landes eine analytische und synthetische Leistung, die erbracht werden muss. Die Erfahrungen der Internationalen Kommunistischen Bewegung sind für uns so wertvoll, weil sie Ausgangspunkt eines Vergleichs sind, durch den wir herausfinden, was an ihrer Situation gleich und was unterschiedlich zu unserer ist, um daraus zu schließen, inwiefern wir ihre Lösungen auch auf unsere Situation anwenden können. Wer bloß Pläne für die Revolution in Deutschland macht, die bei anderen Parteien abgeschrieben wurden, führt die Forderung der Anwendung bloß als Phrase im Mund, die den eigenen Schematismus kaschieren soll. Keine Kommunistische Partei der Welt kann einem die Arbeit abnehmen, die besonderen Bedingungen der Revolution im eigenen Land zu ana­lysieren und daraus abzuleiten, wie sie zu machen ist, und diese Theorie in der Praxis zu entwi­ckeln.

Propaganda gemäß der Massenlinie und dem Prinzip von Aufbau und Zerstörung

Gemäß der Massenlinie des Marxismus gilt es die Linke zu vereinen, die Rechte zu isolieren und die Mitte für sich zu gewinnen. Zu diesem Zweck müssen Debatten geführt werden, die die fort­schrittlichsten Teile der Massen vereinen. Das ist der Teil der revolutionären Linken in Deutschland, der sich positiv auf den Marxismus bezieht und ein Verständnis der Notwendigkeit der Kommunis­tischen Partei und des bewaffneten Kampfes hat. Die Einheit dieser Kräfte auf Grundlage der Klar­heit ist unsere Priorität, weil die Rekonstitution der KPD die Priorität ist. Für die Wahrheit ist ein in­haltlicher Streit gut, denn dann kann sie sich durchsetzen. Wer versucht, den inhaltlichen Streit zu verhindern, der ahnt, dass darin seine eigenen Fehler offen gelegt würden.

Darüber hinaus müssen auch weniger fortschrittliche Teile der Massen adressiert werden. Auch an­archo-kommunistische, linkskommunistische und antifaschistische Kräfte und die allgemeine Unzu­friedenheit der Massen, die sich in sozialen Bewegungen, Tageskämpfen und im Alltag äußert, müs­sen durch unsere Agitation und Propaganda angesprochen werden.

Zu diesem Zweck müssen eine immanente Kritik der bürgerlichen Ideologie, eine Zerstörung der falschen Theorien und eine Erklärung der proletarischen Ideologie, der Aufbau einer richtigen Theo­rie geleistet werden.

Deshalb denken wir, ist ein produktiver Streit zwischen den verschiedenen politischen Gruppen, die sich als marxistisch verstehen und die einen Beitrag zur Revolution in Deutschland leisten wollen, notwendig. Dieser sollte nicht durch Denunziationen, sondern durch Argumente miteinander geführt werden. Darüber hinaus muss eine gemeinsame Praxis entwickelt werden, um nicht bloß zwecklose Papiere zu schreiben, sondern Erfahrungen zu machen, die uns die Grundlage dafür geben Lösun­gen für die Revolution in Deutschland zu finden. Ohne eine solche gemeinsame Praxis ist der theo­retische Streit Geschwätz genauso wie die gemeinsame Praxis ohne den theoretischen Streit bloß Aktionismus ist.

Dazu wollen wir als Redaktion des Sperlings unseren Teil beitragen, indem wir hier Analysen des Klassenkampfes und analytisch begründete Synthesen veröffentlichen, uns kritisch mit den Texten anderer Genossen auseinandersetzen sowie eine Kritik des notwendig falschen Bewusstseins leis­ten. Nicht als Ersatz, sondern als Dienst an der revolutionären Praxis.