Proletarischer Feminismus statt Queerfeminismus

Hier ist der Text als PDF.

Proletarischer Feminismus
statt Queerfeminismus

 

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

I. Kritik des Patriarchats

1. Geschichte des Patriarchats

2. Die Erhaltung des Patriarchats im Kapitalismus

3. Der patriarchale Überbau

4. Das bürgerliche Subjekt und sein Geschlecht

5. Die metaphysische und idealistische Rechtfertigung des Patriarchats

II. Proletarischer Feminismus

III. Kritik des Queerfeminismus

1. Die metaphysische und idealistische Rechtfertigung des Patriarchats 2.0

2. Subjektivistischer Idealismus

3. Transidentifikation ist eine psychische Krankheit

a) Das Verhältnis zum Körper

b) Das Verhältnis zur Subjektivität

4. Männer in Frauenräumen

5. Die negative Aufhebung der Kindheit

IV. Der Nutzen des Queerfeminismus für die Bourgeoisie

    

Frauen verwandeln sich in Männer und Männer verwandeln sich in Frauen. Direkte Verwandlung ist unmöglich. Aber nach der Hochzeit, wenn Söhne und Töchter geboren werden, ist das nicht Verwandlung?

Mao Tse Tung: Beispiele der Dialektik.

  

Vorwort

Seit Jahren gibt es falsche Standpunkte in der internationalen kommunistischen Bewegung zur Fra­ge des Queerfeminismus. Besonders die Internet-Maoisten haben sich hier nicht mit Ruhm bekle­ckert. Die Kommunistischen Parteien und Organisationen, die sich an der Kommunistischen Partei Perus und Brasiliens orientieren, waren zwar relativ klar in ihren Stellungnahmen, aber auch relativ argumentlos. So haben ihre Stellungnahmen wenig dazu beigetragen, dass sich die linken Stand­punkte in dieser Frage durchsetzen konnten.

Die hoxhaistischen Kräfte haben aufgrund ihrer Orientierung an der bürgerlich-nationalistischen und bürgerlich-feministischen PKK in der Frage des Feminismus völlig versagt, und einfach den Marxismus über Bord geworfen.

Im sogenannten anti-revisionistischen Marxismus-Leninismus und im Radikalfeminismus gibt es einige fortschrittliche Texte.

Wir waren uns dessen bewusst, und haben aber aufgrund der Schwäche unserer eigenen Kräfte, und der Notwendigkeit anderer Aufgaben bisher keinen Text dazu geschrieben, obwohl wir einen klaren Standpunkt hatten. Nun hat sich gezeigt, dass der Queerfeminismus der schwer wiegendste Dissens in der Roten Jugend Bewegung in Deutschland ist. Daher sahen wir uns gezwungen unsere Position wenigstens grob zu umreißen. Unser Anspruch wäre eigentlich das Thema so umfassend zu behan­deln wie wir auch den Imperialismus-Dissens behandelt haben, aber dazu fehlt uns aktuell die Zeit und die Arbeitskraft. In Anbetracht der Entwicklung der Roten Jugend wäre es nicht tragbar, länger zu diesem Thema zu schweigen.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Wir hassen sich transidentifizierende Menschen nicht, und wir haben auch keine Angst vor ihnen. Wir sind auch nicht der Meinung, dass es in irgendeiner Wei­se gerechtfertigt wäre diese Menschen schlechter zu behandeln als andere Menschen. Und wir ver­teidigen diese Menschen vor reaktionärer Gewalt.

Allerdings halten wir den Queerfeminismus für frauenfeindlich und homosexuellenfeindlich. Der Queerfeminismus ist eine anti-feministische Ideologie, die versucht die Errungenschaften des Femi­nismus einzukassieren, und führt in der Praxis zu einer Reproduktion des Patriarchats.

Darüber hinaus ist der Queerfeminismus ein Angriff auf den dialektischen Materialismus, indem er einen subjektivistischen Idealismus propagiert. Ausgangspunkt ist ein bürgerlicher Individualismus, der sich an nichts mehr relativieren will. Ergebnis ist die Unmöglichkeit von Kritik der gesellschaft­lichen Verhältnisse, vernünftiger demokratischer Debatte darüber, und revolutionärer Organisation.

Der Grund, dass der Queerfeminismus im Besonderen und der Postmodernismus im Allgemeinen dem Marxismus so viele Niederlagen im Kampf um die Köpfe der kleinbürgerlichen Massen bei­bringen konnte, ist die historische Entwicklung des Imperialismus hin zum immer mehr Individua­lismus, aber auch die Schwäche des Marxismus in den Streitfragen. Sicherlich gibt es noch ungeho­bene Schätze in der psychologischen Forschung und Theorie der sozialistischen Länder, aber der Marxismus hat bisher keine in der westlichen Öffentlichkeit wahrnehmbare Subjekttheorie vorge­legt. Es gibt lauter Texte von Revisionisten der Kritischen Theorie und des Freudomarxismus, aber keine systematische marxistische Theorie über das Subjekt.

Was der Marxismus jedoch hat, ist eine revolutionäre Praxis von Kritik und Selbstkritik. Diese re­volutionäre Praxis hat eine große, weitreichende Tradition und jeder organisierte Genosse hat Erfah­rung damit. Diese Praxis unterstellt eine Theorie, die aber nicht ausformuliert vorliegt. Kritik und Selbstkritik unterstellt eine dialektisch-materialistische Theorie des Subjekts als Vernünftigem. Um diese uns bekannte Praxis zu theoretisieren, haben wir auf den alten Hegel zurückgegriffen. Hegel hat zu einer Zeit als die Bourgeoisie noch revolutionär war sich zum Begriff des Subjekts einige richtige Gedanken gemacht, die auch Marx und Engels massiv beeinflusst haben. Insbesondere sei­ne Reflexion über Herrschaft und Knechtschaft ist nachweislich eine Reflexion auf die Revolution der Sklaven auf Haiti.

Darüber hinaus gibt es Stellen bei anderen Marxisten wie Plechanow, oder auch Lukacs und Grams­ci, und sogar bei Leuten, die keine Marxisten sind, die man mit Gewinn lesen kann und in die wei­tere Theoriebildung einbeziehen muss. Wir haben das in diesem Dokument zum Beispiel mit Gerda Lerners Bezügen auf Freud getan.

Aktuell befinden wir uns in einer seltsamen Situation. Die sogenannte Linke ist bekannt für ein jede Verantwortung für das eigene Leben abwehrendes Rumgeopfer. Ich bin für nichts verantwortlich, weil die Umstände! Sie ist bekannt für einen extremen Individualismus, der gegen jedes Kollektiv rebelliert, frei nach dem Motto mein Kommunismus geht nur allein. Sie ist bekannt für einen das rechtfertigenden subjektivistischen Individualismus bei dem jeder Proletarier nur den Kopf schüt­teln kann, weil wer arbeitet, weiß wie verrückt es ist, objektive Wahrheit zu leugnen. Früher waren es die Rechten, die in Interviews vorgeführt wurden. Heute sind es die Linken. Rechte Influencer wie Brett Cooper, Jordan Peterson oder Ketzer der Neuzeit verteidigen gegen die Linke die Ver­nunft und sogar den Materialismus. Teile der Roten Jugend versöhnen sich in der Frauenfrage mit den Grünen und glauben sie wären revolutionär dabei. Das muss sich ändern.

Wir haben mit diesem Text einen Anfang gemacht. Wir haben eine marxistische Subjekttheorie skizziert, und ein Plädoyer für Vernunft und objektive Wahrheit gehalten. Damit die Linke sich in diesem Zweilinienkampf in der Roten Jugend durchsetzen kann, müssen möglichst viele Genossen sich über das Thema informieren. Das heißt, ihr müsst die philosophischen Schriften des Marxis­mus kennen; vor allem von Mao Tse Tung. Ein wichtiges Buch zur Kritik des Queerfeminismus ist „Trans. When Ideology meets Reality“, das zu Deutsch „Fakten über Transgender“ heißt, von Helen Joyce. Sie ist eine bürgerliche, aber feministische und materialistische Autorin. Dieses Buch sollten alle Genossen gelesen haben.

  

I. Kritik des Patriarchats

Die Kritik des Patriarchats ist notwendige Voraussetzung seiner Abschaffung, und des Verständnis­ses dafür, warum der Queerfeminismus nichts dafür taugt. Daher steht sie voran.

  

1. Geschichte des Patriarchats

Im Urkommunismus waren die Produktivkräfte der Gesellschaft kaum ausreichend zum Überleben, und das Wissen des Menschen über die Natur hauptsächlich mythisch, also unwahr. Aufgrund der geringen Entwicklung der Produktivkräfte war die menschliche Gesellschaft in der Hauptsache na­turverhaftet. Der Widerspruch von Mensch und Natur war nicht durch Naturbeherrschung, sondern durch ein Unterworfensein gegenüber der Natur geprägt.

Die Gebärfähigkeit der Frau war nicht (wissenschaftlich) erkannt, sondern religiös mystifiziert. Da Menschen im Gegensatz zu anderen Säugetieren keine Paarungszeiten haben, waren Frauen ab der Menstruation quasi dauerhaft schwanger oder stillend, und somit selten körperlich in der Lage sich an der (Hetz)Jagd auf Tiere zu beteiligen. Der Mensch ist nicht nur ein Säugetier, sondern bringt ab­solut hilflose Nachkommen zur Welt, die weder laufen noch selbständig essen (schon gar keine Rohkost) oder gar sich vor Gefahren schützen können. Es bildete sich also eine geschlechtliche Ar­beitsteilung in der Frauen auf Tätigkeiten, die sich bei kaum vorhandenen Produktivkräften mit Schwangerschaft und Stillen und anderen Fürsorgetätigkeiten für Kleinkinder vereinbaren lassen, beschränkt waren: Sammeln, Kochen, Handwerken. Männer hingegen waren frei zum Jagen. Die Produktivkräfte des Urkommunismus waren so gering ausgeprägt, dass kein systematisches Interes­se an einer Steigerung der Bevölkerung bestand. Denn der Ertrag der Arbeit war mangels Naturbe­herrschung so sehr vom Zufall bestimmt, dass mehr Arbeitskraft nicht unbedingt mehr Ertrag be­deutete, sondern im Zweifelsfall bloß mehr hungrige Mäuler.

Tausch war bloß ein Verhältnis das eine Gemeinschaft von Menschen im Kontakt mit anderen Ge­meinschaften praktizierte, aber nicht nach innen. Denn der kollektive Mangel machte die planmäßi­ge Kooperation notwendig und das Privateigentum irrational.

Ackerbau und Viehzucht waren ein qualitativer Sprung der Entwicklung der Produktivkräfte. Plötz­lich war es möglich den Zufall des Vorhandenseins sammelbarer und bejagbarer Lebensmittel durch zweckgerichtete Tätigkeit in Bezug auf die Natur, Arbeit aufzuheben. Der Ackerbau findet in der Nähe des Heims statt, und umfasst nicht nur Schwerstarbeit, sondern auch viele leichte Tätigkeiten. Dadurch wurden Frauen, aber vor allem auch Kinder zu interessanten Arbeitskräften.

Die Viehzucht unterstellt ein rudimentäres Verständnis der Fortpflanzung von Tieren mit binärem Geschlechterverhältnis. Das Fangen und Domestizieren von Tieren wird vermutlich hauptsächlich von denen gemacht worden sein, die traditionell mit der Jagd beschäftigt waren. Daraus entstand auch ein rudimentäres Wissen über die Fortpflanzung der Tiere.

Zwar waren auch die frühen Gesellschaften mit Ackerbau und Viehzucht von Mangel gekennzeich­net, und die Beherrschung der Natur durch Arbeit nach heutigen Maßstäben immer noch rudimen­tär, aber im Gegensatz zum Urkommunismus war die Anhäufung von Reichtum überhaupt erst möglich. Dadurch entstand ein Zusammenhang von verfügbarer Arbeitskraft und Reichtum. Dar­über hinaus machte der Sprung der Produktivkräfte auch den Widerspruch von Kopf- und Handar­beit, das Auseinanderfallen von planenden und ausführenden Tätigkeiten notwendig, weil die Arbeit dadurch produktiver wurde. Außerdem führte der Widerspruch von Mangel und Reichtum, sowie das Interesse an der Verfügung über mehr Arbeitskraft zum Krieg. Durch Raub und Versklavung ließ sich der eigene Reichtum mehren. Es gab also die Notwendigkeit von Kopf- und Handarbeit, und die Notwendigkeit von Gewalt.

Die Überwindung der materiellen Not durch die Versklavung kriegerisch unterworfener, fremder Menschen und das Auseinanderfallen von Kopf- und Handarbeit sind die Geburt der Klassengesell­schaft. Der Krieg hat mit der Jagd gemeinsam, dass man dafür reisen, kundschaften und effizient tö­ten können muss, und es ist nicht verwunderlich, dass sich die tradierte geschlechtliche Arbeitstei­lung des Urkommunismus hier in der Hauptsache fortgesetzt hat. Die Möglichkeit von Mehrarbeit ist der objektive Grund, auf dem Seinigen zu beharren, das Gemeineigentum aufzuheben, das Pri­vateigentum einzuführen, und auch innerhalb der eigenen Gemeinschaft Tauschverhältnisse einzu­führen.

Für das Entstehen des Patriarchats muss man sich auf dieser Grundlage einen entscheidenden Un­terschied der Geschlechter in Anbetracht der Produktivkräfte der Sklavenhaltergesellschaft klarma­chen. Der Mann ist in erster Linie Subjekt, die Frau ist in erster Linie ein Produktionsmittel, näm­lich ein Produktionsmittel von Arbeitskräften. Der gewalttätige Mann setzte sich selbst durch den Kampf gegen Andere als Privateigentümer und Ausbeuter, während die Frau als Produktionsmittel von Menschen durch ihn unterworfen wurde. Die Frau war ihrem Körper, ihrer Natur noch ähnlich ausgeliefert wie im Urkommunismus, aber der männliche, gewalttätige, Viehzucht betreibende Pri­vateigentümer wusste jetzt, was er an ihr hat.

Das Privateigentum und die Abschaffung der kommunalen Lebensform machte auch die Monoga­mie notwendig, denn der männliche Privateigentümer will wissen, wen er durchfüttert und an wen er vererbt, auch dafür musste er sich die Gebärfähigkeit der Frau unterwerfen.

Die These von Levi-Strauss und teils auch Lerner, dass die Frau die erste Ware gewesen sei, und das Eigentum eine Folge des Patriarchats gewesen sei, ergibt überhaupt keinen Sinn, weil es ohne Mehrarbeit, Mehrprodukt und Ausbeutung, ohne Eigentum, ohne Zusammenhang von mehr Ar­beitskraft und mehr Ertrag überhaupt kein gesellschaftliches Interesse an der Gebärfähigkeit der Frau gibt.

Die These von Lerner, dass das Entstehen des Patriarchats kein qualitativer Sprung war, sondern eine quantitative Entwicklung ist metaphysischer Unfug, der den Unterschied von freien Frauen ei­ner urkommunistischen Gemeinschaft und ausgebeuteten und unterdrückten Gebärmaschinen leug­net. Das Argument, dass sie anführt, ist, dass Verhältnis der Geschlechter sich quantitativ entwickelt – selbstverständlich tut es das. Aber quantitative Entwicklung schlägt in qualitative Entwicklung um.

Das Patriarchat als Herrschaftsverhältnis der Männer über die Frauen entspringt aus dem Interesse der herrschenden Klasse am weiblichen Körper. Die Frau wird wegen ihrer Gebärfähigkeit unter­worfen, und dann auch darüber hinaus unterdrückt und ausgebeutet. Je primitiver die Produktivkräf­te sind, desto relevanter ist darüber hinaus die durchschnittliche körperliche Überlegenheit des Mannes; das ist aber sekundär. Insofern hat das Patriarchat abhängig vom Klassenkampf eine Ge­schichte. Damit einher geht auch die Unterwerfung des weiblichen Körpers im Interesse männli­chen Begehrens (Prostitution, sexuelle Gewalt etc.).

Literatur:

Engels, Friedrich: Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats.

de Beauvoir, Simone: Das andere Geschlecht.

Lerner, Gerda: Die Entstehung des Patriarchats.

  

2. Die Erhaltung des Patriarchats im Kapitalismus

Die Bourgeoisie bezieht sich mit ihrem Interesse an Profit und Machterhalt auf den weiblichen Kör­per und die Tradition des Patriarchats und reproduziert das Patriarchat dadurch. Sie erhält es in ver­änderter zum Kapitalismus und der Situation im Klassenkampf passender Form.

Zu den Bedingungen der Kapitalakkumulation gehört die Reproduktion der Arbeitskraft. Die For­mulierung Reproduktion der Arbeitskraft bezeichnet sehr verschiedene Dinge. Darunter fällt die ge­nerationelle Erneuerung der Arbeiterklasse durch Geburten, die Erziehung der Kinder, und die Er­holung der arbeitenden Bevölkerung.

Die Bourgeoisie hat ein Interesse daran, dass Frauen Kinder gebären, damit die national verfügbare Arbeitskraft erneuert wird, und die verschlissenen und sterbenden Teile der Arbeiterklasse der Nati­on ersetzt werden können. Zwar sind Geburten nicht der einzige Weg diesen Ersatz ausfallender Ar­beitskraft zu organisieren, aber die Alternativen, nämlich Integration vorhandener Arbeitskraft in den Arbeitsmarkt und Migration bringen ihre eigenen Probleme mit sich.

Andererseits hat die Bourgeoisie ein Interesse daran auch die weibliche Arbeitskraft auszubeuten, durch ihre Integration in den Arbeitsmarkt die Konkurrenz in der Arbeiterklasse zu verschärfen, das allgemeine Lohnniveau zu senken, und die insgesamt stattfindende Mehrarbeit zu erhöhen.

Die Schwangerschaft der Frau und die Geburt des Kindes sind eine Relativierung der Verfügbarkeit der Arbeitskraft der Frau für den Zweck der Kapitalakkumulation. Im Zuge von Schwangerschaft und Geburt ist die Frau weniger belastbar, fällt teilweise vollständig aus oder ist durch andere Tätig­keiten gebunden. Die Entwicklung der Produktivkräfte relativiert dieses Problem für das Kapital, schafft es allerdings nicht ab. Die durchschnittliche körperliche Unterlegenheit von Frauen spielt je nach Entwicklung der Produktivkräfte eine Rolle (z.B. auf dem Bau mehr als in der Fabrik).

Das ist ein Grund für das Kapital die Frau bloß für gering qualifizierte Tätigkeiten, wo sie leicht zu ersetzen ist, einzusetzen. Denn aufgrund des potenziellen mehrmonatigen Ausfalls der weiblichen Arbeitskraft will das Kapital sich möglichst von ihr unabhängig machen. Aus dem Widerspruch der Fähigkeit der Frau zur Schwangerschaft und dem Zweck des Kapitals folgen schlechtere Bezah­lung, schlechtere Karrierechancen und so weiter.

Außerdem muss unbezahlte Arbeit stattfinden, um die Kindererziehung, die Erholung der weibli­chen und männlichen Arbeitskraft, sowie die Alten- und Krankenpflege zu ermöglichen. Wenn diese Arbeit bezahlt werden würde, dann müsste sie aus den Löhnen bezahlt werden, wozu diese beträcht­lich höher sein müssten. Durch die patriarchale Arbeitsteilung und die unbezahlte Arbeit der Frau muss der Lohn nur für die zu kaufenden Lebensmittel reichen, nicht für die notwendige, aber unbe­zahlte Hausarbeit.1

Außerdem nutzt die Aufrechterhaltung und teilweise Verschärfung des Patriarchats der Bourgeoisie durch die Spaltung der Arbeiterklasse und die Verdrängung der Frau aus der Öffentlichkeit. Ande­rerseits stiftet die patriarchale Unterdrückung und Ausbeutung der Frau auch Gründe zur Rebellion, was dem Zweck des Machterhalts der Bourgeoisie entgegensteht. Die Handhabung dieses Wider­spruchs kann gemäß der Situation im Klassenkampf mal linksliberaler und mal konservativer aus­fallen. Eine gewisse Relativierung des Patriarchats ist möglich, aber ein Rollback genauso.

Die Herrschaft der Bourgeoisie ist durch Freiheit vermittelt. Auch das Patriarchat zeichnet sich da­durch aus, dass die Arbeiterklasse es auf Grundlage der materiellen Verhältnisse der Gesellschaft freiwillig reproduziert. Die unterschiedliche Behandlung von Frauen und Männern durch das Kapi­tal stiftet ihnen objektive Gründe, als Familie eine patriarchale Arbeitsteilung zu wählen, bei der der Mann die hauptsächliche Verantwortung dafür hat der Familie ein Einkommen zu verschaffen, und die Frau die hauptsächliche Verantwortung dafür hat die Hausarbeit zu erledigen. Daraus folgt eine Einkommensverteilung, die eine ökonomische Abhängigkeit der Frauen von ihren Männern stiftet. Außerdem eignet sich der Mann, indem er an der Hausarbeit der Frau schmarotzt, ihre Mehrarbeit an.

Wenn man die patriarchale Arbeitsteilung abschaffen will, dann muss man die Produktionsverhält­nisse abschaffen, in denen die Menschen durch den stummen Zwang der Verhältnisse dazu gebracht werden es freiwillig zu reproduzieren.

Literatur:

Der Sperling:
https://dersperling.noblogs.org/post/2022/02/27/das-patriarchat-im-kapitalismus-und-seine-abschaffung/
https://dersperling.noblogs.org/post/2023/03/16/thesenpapier-das-patriarchat-im-kapitalismus-und-seine-abschaffung/

Vogel, Lise: Marxismus und Frauenunterdrückung.

  

3. Der patriarchale Überbau

Auf der Grundlage des ökonomischen patriarchalen Verhältnisses bildet sich ein patriarchaler Über­bau von patriarchalem bürgerlichen Recht, patriarchaler Kultur und patriarchaler Ideologie.

Der bürgerliche Staat dient der Bourgeoisie und setzt ihr Interesse am Patriarchat gemäß der Situati­on im Klassenkampf durch. Hier zu gehört beispielsweise das Verbot für Frauen eine Lohnarbeit an­zunehmen ohne Erlaubnis von Vater oder Ehemann, das Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen, das Vorhandensein von Kindergärten, das Eherecht, das (Nicht-)Gewähren von spezifischen Ar­beitsrechten für Frauen, und so weiter.

Außerdem bildet sich eine patriarchale Kultur. Alle kulturellen Phänomene sind vom Patriarchat be­einflusst. In der patriarchalen, bürgerlichen Gesellschaft werden die Frauen zu Sexualobjekten männlichen Begehrens degradiert. Prostitution, Pornografie, Catcalling, sexuelle Übergriffe, Verge­waltigung, Burkas und Hotpants sind verschiedene Ausdrücke dieser Degradierung der Frau zu Se­xualobjekten männlichen Begehrens. Im Patriarchat gelten bloß Männer als vollwertige Subjekte, während Frauen der Tendenz nach zum Objekt degradiert werden. Der nicht vollwertige Subjektsta­tus von Frauen macht sich z.B. auch im Rede- und Zuhörverhalten der Menschen geltend. Die Auf­zählung ist nicht vollständig.

In der bürgerlichen Gesellschaft existiert keine vom Patriarchat unbefleckte Sexualität. Die Konsti­tution der Subjekte und ihres Begehrens findet im Patriarchat statt, und die sexuelle Praxis sieht ent­sprechend aus. Dennoch kann man die bürgerliche Sexualität kritisieren, und das Ideal einer auf der gegenseitigen Anerkennung als Subjekt, Liebe, Intimität und gegenseitigem Begehren beruhenden Sexualität zum Zwecke gemeinsamer Lust hochhalten. Wir sind gegen ein liberales laissez-faire. Nur weil es im Patriarchat keine vom Patriarchat freie Sexualität gibt, rechtfertigt das nicht den pa­triarchalen Exzess.

Im Gegensatz zu manch anderen Marxisten verurteilen wir Homosexualität nicht. Fortpflanzung mag zum Erhalt der Gattung notwendig sein, aber nicht für Liebe, Intimität und Lust. Die Versuche Homosexualität im Allgemeinen zu kritisieren, sind alberne Rationalisierungsversuche tradierter Schwulenfeindlichkeit.

Die patriarchale Moral rechtfertigt in chauvinistischer Weise das Patriarchat und formuliert ge­schlechtsspezifische moralische Ansprüche an die Männer und Frauen (was Linke oft gender oder Rollenbilder nennen), und dadurch moralische Ansprüche der Männer gegen die Frauen. Der Mann soll souverän, rational, gewaltsam, selbstbeherrscht, handwerklich fähig, sexuell potent und verant­wortungsvoll sein, während die Frau devot, emotional, empathisch, zärtlich, zur Hausarbeit fähig, sexuell verfügbar und keusch, dem Schönheitsideal entsprechend und fürsorglich sein soll. Gemäß der widersprüchlichen gesellschaftlichen Zustände ändern sich diese moralischen Ansprüche stän­dig und widersprechen sich selbst. Je nach Klassenlage unterscheiden sich die Rollenbilder auch noch mal (z.B. in Bezug auf Gewalt und die Fähigkeit zur Hausarbeit). Diese Rollenbilder sind fes­ter Bestandteil der patriarchalen Kultur, und Menschen werden in der Konkurrenz um Anerkennung danach beurteilt wie sehr ihr Sein diesem Sollen entspricht. Die patriarchale Kultur ist voll von expliziten und impliziten Wettbewerben darum, wer am identischsten mit seinem Rollenbild ist. In der Abstraktion ist das eine Härte, die beide Geschlechter trifft. Aber die Männer sollen ihrer Rolle als Beherrschende und Ausbeuter erfüllen, und die Frauen ihre Rolle als Unterdrückte und Ausge­beutete – das ist dann doch ein erheblicher Unterschied.

Aus der patriarchalen Moral folgt ein Hass auf Homosexualität. Als Abweichung vom patriarchalen Normalzustand und Ideal wird homosexuelle Praxis und Subjektivität verurteilt.

Die patriarchalen moralischen Ansprüche der Männer gegen die Frauen sind die Grundlage der ständigen patriarchalen Gewalt. Die Täter gehen dabei davon aus ein Recht gegen die Frau zu ha­ben, das sie dann gewaltsam durchsetzen. Hierzu gehören nicht nur Femizide und Vergewaltigun­gen, sondern auch das anmaßend autoritäre Gebaren von Vätern und Partnern gegenüber Töchtern und Partnerinnen, und von Männern gegenüber Frauen im Allgemeinen.

  

4. Das bürgerliche Subjekt und sein Geschlecht

Der Mensch hat freien Willen und Bewusstsein. Er ist nicht einfach das mechanische Produkt seiner äußeren Einflüsse (Sozialisationstheorien) oder der Biochemie auf Grundlage seiner Genetik (biolo­gischer Determinismus), oder einer Mischung aus beidem (Anlage-Umwelt-Theorien). Seine Sub­jektivität ist das Resultat des bewussten und willentlichen Bezugs auf die Welt, sich selbst in ihr und seinen gesellschaftlichen Verhältnissen. Ein bewusster und willentlicher Bezug auf die Welt ist re­gelmäßig kein vernünftiger und reflektierter Bezug auf die Welt. Oftmals taucht die Vernunft nur in ihrer degenerierten Form als falsche Folgerichtigkeit des Denkens auf.

Diese bewussten, willentlichen Bezüge auf die Welt werden zur Gewohnheit und bilden die Subjek­tivität. Die Gewohnheit erscheint oft als Fessel, ist aber hauptsächlich eine höhere Form der Frei­heit, weil sie erlaubt die bewusste Aufmerksamkeit auf anderes zu richten. Das simpelste Beispiel ist, die Freiheit auf die Umgebung zu achten oder sich auf ein Gespräch zu konzentrieren, weil ei­nem das Gehen zur Gewohnheit geworden ist.

Der freie Wille des Menschen vollzieht den Widerspruch von Freiheit und Notwendigkeit. Der Mensch findet Gründe für sein Handeln vor, er handelt auf Grundlage objektiver Bedingungen, die ein bestimmtes Handeln nahe legen, aber er entscheidet.

Das Sein bestimmt das Bewusstsein, aber das Bewusstsein bestimmt auch das Sein. Die hauptsäch­liche Seite des Widerspruchs kann sich wie in jedem Widerspruch wandeln. Diese Dialektik voll­zieht sich auch im besonderen Widerspruch zwischen Körper und Subjektivität. Die Biochemie hat Einfluss auf die Subjektivität. Man denke an den das Auftreten von Ungeduld und Jähzorn beim Entzug von Alltagsdrogen wie Kaffee und Zigaretten oder die Verhaltensänderungen die Schlafent­zug hervorrufen. Man denke an die Enthemmung durch Alkohol, das Redeverhalten nach Amphet­amin oder Kokainkonsum, die schlaffe Introvertiertheit nach Marihuanakonsum, die seltsamen Stimmungsschwankungen bei Trenbolonkonsum, die Traurigkeit und Lustlosigkeit bei Einnahme der Pille. Man denke an die gute Laune und vielleicht auch den erhöhten Redefluss nach dem Sport, die tröstende Wirkung von Schokolade, oder die Zufriedenheit nach der Sättigung durch ein lecke­res Essen.

All das ist Teil der materiellen Wirklichkeit, nämlich seiner eigenen Leiblichkeit, auf die sich der Mensch willentlich und bewusst bezieht. Das sind nicht Ursachen, die Verhalten kausal hervorbrin­gen. Man verliert seine Freiheit und Verantwortung nicht durch die Biochemie des Körpers.

Die Subjektivität hat auch Einfluss auf den Körper. Die Gedanken, die sich Menschen machen, schlagen sich nieder in höheren und niedrigeren Hormonspiegeln, erhöhtem oder sinkendem Puls, Schlaflosigkeit und psychosomatischen Krankheiten. Scham rührt von dem Urteil her, dass das ei­gene Sein einem Sollen nicht genügt, und dies verleiblicht sich in einem Schweißausbruch, geröte­tem Gesicht und erhöhtem Puls.

Der Mensch kommt aber nicht mit einem vollständig ausgebildeten Willen und Bewusstsein zur Welt, sondern als hilfloses, bedürftiges Wesen, das in Abhängigkeit vom Wohlwollen der Eltern existiert. Das Kind muss sich mit den Erwachsenen um es herum identifizieren und sie lieben, um diese Abhängigkeit zu ertragen. Die Alternative wäre permanente Todesangst. Hinzu kommt die Notwendigkeit die Anerkennung und das Wohlwollen des Umfelds zu erheischen. Die anfängliche Subjektivität des Menschen beruht auf einem Ausgeliefertsein gegenüber der eigenen körperlichen Natur, Identifikation mit den Mitmenschen und Imitation von ihnen. Aber Wille und Bewusstsein bilden sich immer mehr aus und der Mensch kann sein Unbewusstes reflektieren, und sich bewusst und willentlich auf frühe Einflüsse oder übernommene Verhaltensweisen beziehen. Die Adoleszenz ist nicht nur eine Rebellion gegen die Eltern, sondern auch ein Selbstentwurf in Abgrenzung zu ih­nen, eine Revision der eigenen Subjektivität. Auch diese Rebellion und dieser Selbstentwurf bleiben relativ, und allzu oft irrational.

Das Patriarchat erhält sich, indem die Menschen es durch ihr Verhalten reproduzieren. Die Subjek­tivität, die sich die Menschen im Patriarchat bilden, passt zum Patriarchat. Die bürgerlichen Subjek­te sind dabei fortlaufend damit konfrontiert, dass sie aufgrund ihrer Körper an patriarchalen morali­schen Maßstäben (gender/Rollenbilder) gemessen werden. Sie können diese Maßstäbe affirmieren und internalisieren und auch dagegen rebellieren, aber sie müssen darauf reagieren, einen tätigen Umgang damit finden. An niemandem geht das spurlos vorbei.

Die Entsprechung mit dem Rollenbild an dem man gemessen wird, und an dem man sich auch selbst misst, ist dabei immer prekär. Der Einzelne ist nie restlos identisch mit dem widersprüchli­chen Ideal, an dem er gemessen wird, und kann es auch gar nicht sein.

Die patriarchale Subjektivität, die die Menschen auf der materiellen Grundlage der patriarchalen ge­sellschaftlichen Praxis an sich herausbilden, ist in der Hauptsache reaktionär; bei beiden Geschlech­tern. Es ist die Subjektivität, die dazu passt Frauen zu beherrschen, und es ist die Subjektivität, die dazu passt, sich von Männern beherrschen zu lassen.

Männer bilden an sich eine Subjektivität heraus, die dazu passt, als kapitalistisches Konkurrenzsub­jekt tätig zu sein, und in einer Konkurrenz um Anerkennung als „echter“ Mann zu bestehen, und Frauen auszubeuten und zu unterdrücken. Frauen bilden an sich eine Subjektivität heraus, die dazu passt sowohl ein Stück weit Konkurrenzsubjekt zu sein, als auch sich in der patriarchalen Ausbeu­tung und Unterdrückung einzurichten. Dabei bleibt die Subjektivität aber stets widersprüchlich, und die Subjekte haben an sich auch rebellische Momente.

Der Prozess der Bildung der Subjektivität erlischt im Resultat. Die eigene Subjektivität tritt einem selbst erstmal als Gefühl gegenüber. Man erlebt sich selbst wie man ist. Zum Beispiel: Die Frau ist unsicher und schüchtern, und gehemmt in einer Gruppe zu sprechen, und dieser Teil ihrer Subjekti­vität erscheint ihr als Gefühl von Angst und Scham, und nicht als zur Gewohnheit gewordene be­wusste und willentliche Stellung zu sich selbst und dem Patriarchat. Der Mann ist egozentrisch und extrovertiert, und spricht völlig enthemmt in einer Gruppe, und dieser Teil seiner Subjektivität er­scheint ihm als Gefühl der Unruhe und als Genuss von Aufmerksamkeit, und nicht als zur Gewohn­heit gewordene bewusste und willentliche Stellung zu sich selbst und dem Patriarchat. Die Erschei­nung der Subjektivität in der Form des Gefühls bringt das Sein des Selbst zur Anschauung, aber verschleiert sein Werden.

Literatur:

Hegel, G. W. F.: Die Phänomenologie des Geistes.

Hegel, G. W. F.: Die Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften. I-III.

Lerner, Gerda: Die Entstehung des Patriarchats.

  

5. Die metaphysische und idealistische Rechtfertigung des Patriarchats

Der Prozess erlischt im Resultat. Die Erscheinung der Subjektivität in der Form des Gefühls bringt das Sein des Selbst zur Anschauung, aber verschleiert sein Werden. Dadurch ist ein metaphysisches Verständnis der Subjektivität nahegelegt. Ich verhalte mich, wie ich mich verhalte, weil ich bin wie ich bin, und im Grunde kann ich daran auch nichts ändern. Dieser Gedanke hat den Vorteil die eige­ne Verantwortung für das eigene Handeln, das eigene Leben zu leugnen. Man kann sich dann selbst­gerecht zurücklehnen und einfach weiter machen wie bisher.

In Bezug auf das Patriarchat wird dieser Gedanke ein wenig modifiziert. Denn es geht um die (fal­sche) Erklärung des ähnlichen Verhaltens von Frauen und Männern, für die Rechtfertigung ihrer verschiedenen Rollen im Patriarchat. Frauen machen Frauensachen, weil in ihnen eine Frauen-Sa­chen-Machen-Kraft wirke. Männer machen Männersachen, weil in ihnen eine Männer-Sachen-Ma­chen-Kraft wirke. Woher wissen wir, dass es diese Kraft gibt? Sie verhalten sich doch so! Dieser Gedanke ist ein Zirkelschluss. Das zu erklärende Verhalten wird unter der Abstraktion „männlich“ oder „weiblich“ zusammen gefasst. Die Abstraktion „männlich“ umfasst dann so unterschiedliche Dinge wie „Autos gut finden“ und „lange auf Klo sitzen“ oder „Gewalt ausüben“, die nichts mitein­ander zu tun haben, außer dass sie von einem Mann getan werden (für „weiblich“ könnte man das genauso machen). Diese Abstraktion wird dann durch eine Kraft erklärt, die keinen anderen Inhalt hat als „männliches“ oder „weibliches“ Verhalten hervor zu bringen. Das bedeutet der Inhalt des Verhaltens tritt sich selbst in veränderter Form, als Kraft, gegenüber und soll sein eigener Grund sein. Um dieses geschlechtliche Wesen der Menschen, das ihr Verhalten bestimme, zu erklären wird dann meistens irgendein mystischer Zusammenhang zu ihrer Biologie, ihren Gehirnen, ihrer Gene­tik oder der Steinzeit hergestellt.

Dieser patriarchale Zirkelschluss dient dazu das Patriarchat zu rechtfertigen, und ist eine bürgerli­che, reaktionäre und unwahre Idee. Diese Idee muss auf das Schärfste bekämpft werden.

Dieser metaphysische und idealistische Gedanke wirkt auf viele Menschen so einleuchtend, weil er zur Empirie, zur Lebensrealität der Leute passt. In einer patriarchalen Gesellschaft bilden die Men­schen an sich tatsächlich eine patriarchale Subjektivität heraus. Die Leute sind schon ungefähr so, wie es von ihnen gemäß der Rollenbilder verlangt wird. Der Grund ist aber nicht ein metaphysi­sches Wesen, eine geschlechtsspezifische Menschennatur, sondern dass das Sein das Bewusstsein bestimmt. Dementsprechend ist das Patriarchat auch keine Naturnotwendigkeit, sondern ein gesell­schaftlicher Zustand, den wir willentlich und bewusst, nämlich revolutionär abschaffen können.

Verantwortung für sich selbst übernehmen, heißt sich nicht in ein Gefühl zu versenken, sondern sei­ner selbst Herr zu sein, und frei seine Aufmerksamkeit auf sich selbst und seine mannigfaltigen Mo­mente zu richten, und sich selbst auch zu verändern.

Literatur:

Hegel, G. W. F.: Die Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften. I-III.

Die marxistische Literatur zum Dialektischen Materialismus; insbesondere Engels.

  

II. Proletarischer Feminismus

Auf Grundlage der Analyse des Patriarchats ist klar, dass es sich nicht abschaffen lässt ohne das Pri­vateigentum an Produktionsmitteln abzuschaffen. Die Befreiung der Frau ist nur im Zuge der Be­freiung der Arbeiterklasse möglich. Denn die Arbeiterklasse kann sich nur selbst befreien, indem sie die ganze Menschheit befreit. Die proletarischen Frauen können sich nur selbst befreien, indem sie sich als Proletarierinnen befreien. Denn zwecks Abschaffung des Patriarchats muss die Klassenge­sellschaft abgeschafft werden. Damit die Gebärfähigkeit der Frau nicht mehr dem Interesse der Bourgeoisie unterworfen wird, muss die Bourgeoisie abgeschafft werden. Um die Abhängigkeit der Frau vom Mann abzuschaffen, muss sie vollständig in den Produktionsprozess integriert werden. Um die Verpflichtung der Frau auf die Hausarbeit abzuschaffen, muss diese möglichst vergesell­schaftet werden. Damit werden die materiellen Bedingungen geschaffen, die patriarchale Kultur und Ideologie auszumerzen.

Für dieses Ziel muss schon im Kapitalismus das Patriarchat bekämpft werden. Es muss gegen alle Momente des Patriarchats wie z.B. das patriarchale bürgerliche Recht, die Verpflichtung der Frau auf die Hausarbeit, die Verdrängung der Frau aus der Öffentlichkeit und ihre Entpolitisierung, die Degradierung der Frau zum Sexualobjekt oder patriarchale Gewalt gekämpft werden.

Auch wenn es sich beim Patriarchat um Ausbeutung handelt, ist der Widerspruch zwischen Frau und Mann nicht notwendigerweise ein antagonistischer Widerspruch, der durch Gewalt gelöst wer­den muss. Denn proletarische Frauen und Männer haben das gemeinsame Interesse an der Revoluti­on, und das Interesse von proletarischen Männern an der Revolution überwiegt das Interesse an der Aneignung der Mehrarbeit der Frau durch ihre Verpflichtung auf die Hausarbeit. Wenn einzelne Männer durch ihre Ausübung der Unterdrückung der Frau den Widerspruch antagonisieren, und eine demokratische Handhabung des Widerspruchs verunmöglichen, dann muss man diese Männer mit antagonistischen Mitteln handhaben.

Da die Bourgeoisie nationalstaatlich organisiert ist, ist der Kampf der Form nach national und der Sieg der proletarischen Revolution aufgrund der ungleichzeitigen Entwicklung auch. Der national begrenzte Sozialismus ist ein Stützpunktgebiet der proletarischen Weltrevolution. Nach der Zer­schlagung eines bürgerlichen Staats existiert die Bourgeoisie fort, und strebt nach der Restauration des Kapitalismus. Die Diktatur des Proletariats wird benutzt, um die Bourgeoisie zu unterdrücken und die Ökonomie umzugestalten.

Außerdem ist der Widerspruch zwischen Avantgarde und Massen durch die Zerschlagung des bür­gerlichen Staats nicht aufgehoben, und seine demokratische Handhabung erlaubt nur nach und nach eine sozialistische Umgestaltung der Ökonomie vom Kapitalismus hin zum Kommunismus. Die bürgerliche Ideologie existiert nicht nur als Tradition, sondern die ökonomische Basis des Sozialis­mus hat bürgerliche Elemente, und bringt notwendig falsches Bewusstsein, sowie das Interesse an der Restauration des Kapitalismus immer wieder neu hervor.

Folglich sind die Diktatur des Proletariats als Meer der bewaffneten Massen, die proletarische Kul­turrevolution und die Kommunistische Partei notwendig, um vom Kapitalismus zum Kommunis­mus voranzuschreiten. Der Sozialismus ist eine historische Epoche, die endet, wenn die ökonomi­sche Basis vollständig zu einer Planwirtschaft gemäß dem Grundsatz „Jeder nach seinen Fähigkei­ten. Jedem nach seinen Bedürfnissen“ geworden ist, also auch kein notwendig falsches Be­wusstsein mehr hervorbringt, die Klassen nicht mehr existieren, und der Staat somit abstirbt.

In dieser sozialistischen Epoche muss das Patriarchat bekämpft werden. Durch fortlaufenden ideo­logischen Kampf gegen die patriarchale Ideologie, durch die vollständige Einbindung der Frau in die Produktionssphäre, durch die immer weitere Vergesellschaftung der Hausarbeit und kollektive proletarische Kindererziehung. Dieser Kampf ist essentiell, denn die Bourgeoisie versucht immer durch die patriarchale Spaltung der Klasse ihre Kräfte zu schwächen, um die Restauration des Kapi­talismus durchführen zu können. In proletarischen Kulturrevolutionen wird dieser Kampf immer wieder auf eine neue Stufe gehoben.

Darüber hinaus haben wir als Kommunisten ein anderes Verhältnis zur Subjektivität als die Bour­geoisie. Wir behaupten weder, dass es einen biologischen Determinismus gebe, noch leugnen wir den Körper als materielle Grundlage der Subjektivität.

Wir leugnen nicht den Körper als Moment der materiellen Grundlage der Subjektivität. Die Identifi­kationsleistungen des Kindes sind massiv durch körperliche Ähnlichkeiten zwischen sich und Er­wachsenen des gleichen Geschlechts geprägt. Auch ein ganzes Leben lang bleibt der Körper die Vermittlung der Subjektivität und der Welt. Und die Geschlechter sind real. Es macht einen materi­ellen, objektiven Unterschied, ob man einen weiblichen oder männlichen Körper hat, und insofern wird es beim Menschen auch immer eine im allgemeinen geschlechtsspezifische, männliche und weibliche Subjektivität geben, die sich auf der unterschiedlichen materiellen Grundlagen bildet.

Im Vergleich zur patriarchalen Subjektivität ist der kleine Unterschied aber für Kommunisten ziem­lich irrelevant. Denn unsere Subjektivität soll sich nicht an patriarchalen Ansprüchen, sondern am proletarischen Klassenstandpunkt ausrichten. Unser Zweck ist das Voranschreiten der Menschheit zum Kommunismus. Das ist unvereinbar mit den patriarchalen Idealen der Subjektivität.

Ein Kommunist zeichnet sich dadurch aus, dass er stets alles tut, was notwendig ist, um den Kom­munismus zu erreichen. Ein Kommunist lebt nach einer eisernen, weil bewussten Disziplin, die auf der Einsicht in die Notwendigkeiten der proletarischen Revolution beruht. Ein Kommunist ist bereit sein Leben zu geben, er bricht mit dem bürgerlichen Leben, denn er widmet sein Leben der Revolu­tion. Denn ein Kommunist steht konsequent auf dem Standpunkt des Proletariats. Es gibt keine Be­freiung für das Individuum, es gibt nur Befreiung für und durch die Klasse, daher müssen sich die Individuen auf den Standpunkt der Klasse stellen oder in Ausbeutung und Unterdrückung verharren.

Die Realität ist, dass keiner von uns diesem Ideal wirklich entspricht, und das ist auch beim heuti­gen Stand des Klassenkampfes in Deutschland unwahrscheinlich. Daher müssen wir unsere Genos­sen dazu schmieden Kommunisten zu werden, an uns selbst arbeiten, und vor allem den Klassen­kampf in Deutschland und unseren organisatorischen Aufbau auf ein Niveau bringen, das ermög­licht, dass wir Kommunisten sein können.

Wir müssen mit der bürgerlichen Ideologie in uns brechen, sie vernichten und die proletarische Ideologie annehmen und aufbauen, und dementsprechend handeln und nicht nur schwatzen. Das heißt, unsere ganze Subjektivität muss Ausdruck unseres proletarischen Klassenstandpunktes sein. Wir sind keine bürgerlichen Individualisten. Nicht das Individuum, sondern die Arbeiterklasse ist das Zentrum unserer Weltanschauung. Wir sind auch keine reaktionären Kollektivisten. Nicht ir­gendein Kollektiv, nicht die Nation, nicht die Familie, nicht die Religionsgemeinschaft ist das Zentrum unserer Weltanschauung, sondern die Arbeiterklasse ist das Zentrum unserer Weltanschau­ung. Daraus folgt eine Moral, daraus folgen auch Werte.

Unsere Genossen haben Vertrauen in die Massen und in den zukünftigen Sieg unserer Klasse und das Individuum ist nichts außer ein winziger Teil dieser Klasse. Unsere Moral ist so widersprüchlich wie unser Zweck. Wir wollen Revolution machen, und alles, was wir sind und tun, richtet sich nach diesem Zweck aus. Nichts, was diesem Zweck entgegensteht, hat für uns Geltung. Unsere Wertur­teile sind keine metaphysischen, absoluten Prinzipien, sondern immer relativ zu unserem revolutio­nären Zweck, zu unserem proletarischen Klassenstandpunkt. Kommunisten sind weder Mäuschen noch Macker – zumindest im Idealfall.

Die metaphysische Rechtfertigung des Seins des Selbst steht uns im Weg wie kaum ein anderes ideologisches Problem. Es ist eine Rechtfertigung dafür, sich nicht zu verändern. Es ist eine Recht­fertigung dafür, keine Verantwortung zu übernehmen. Es ist eine Rechtfertigung dafür, dass die Welt bleibt, wie sie ist. Wir wollen die Welt verändern! Wir wollen Verantwortung übernehmen! Wir wollen uns verändern! Wir müssen mit diesem ideologischen Dreck brechen. Zu diesem Zweck muss natürlich auch unser organisatorischer Aufbau taugen. Das heißt, wir müssen das Patriarchat auch in unseren eigenen Organisationen bekämpfen und eine Form wählen, die dazu passt.

Literatur:

Die Worte des Vorsitzenden Mao Tse Tung.

  

III. Kritik des Queerfeminismus

Der Queerfeminismus ist der Anti-Feminismus in unseren eigenen Reihen. Er ist ein ideologischer Angriff auf den Feminismus und zieht eine frauenfeindliche und homosexuellenfeindliche Praxis nach sich. Das Private ist politisch. Es gibt keine unpolitische Sphäre des bürgerlichen Individualis­mus, in der jeder nach seiner Facon glücklich wird, ohne dass es politische Folgen hat.

  

1. Die metaphysische und idealistische Rechtfertigung des Patriarchats 2.0

Der Queerfeminismus kassiert die Kritik an der metaphysischen Rechtfertigung des Patriarchats ein. Er reproduziert diese metaphysische Rechtfertigung in veränderter Form.

Der Gedanke, dass man eine Geschlechtsidentität habe, die nicht zum eigenen Körper passe, ist der gleiche patriarchale, metaphysische und idealistische Gedanke wie bei klassischen Anhängern des Patriarchats. Die Rechtfertigung der Transidentifikation stellt bloß die klassische patriarchale Ideo­logie auf den Kopf. In der fünften Ausgabe des Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders der American Psychiatric Association (DSM-5, gültig seit 2013, revidiert 2022) wird die Dia­gnose Geschlechtsdysphorie weiterhin als psychische Störung geführt. Im Grunde sagen die bürger­lichen Psychologen das Gleiche wie wir, bloß in affirmativer und nicht in kritischer Absicht.

Bei einer Geschlechtsdysphorie bei Kindern liegt die ausgeprägte Diskrepanz (Kriteri­um A) vor, wenn mindestens sechs der folgenden acht Kriterien erfüllt sind, wobei das erste Kriterium zwingend erfüllt sein muss:

1. Ein starkes Verlangen, dem anderen Geschlecht anzugehören oder ein Beharren darauf, dass man dem anderen Geschlecht angehört (oder einem alternativen Ge­schlecht, das sich vom Zuweisungsgeschlecht unterscheidet).

2. Bei männlich zugewiesenen Kindern eine starke Vorliebe für Crossdressing oder die Simulation weiblicher Kleidung; oder bei weiblich zugewiesenen Kindern eine starke Vorliebe für das Tragen typisch maskuliner Kleidung und eine starke Ablehnung vom Tragen typisch femininer Kleidung.

3. Eine starke Präferenz für Crossdressing bei Rollen- oder Fantasiespielen.

4. Eine starke Präferenz für Spielzeuge, Spiele oder Aktivitäten, die stereotypisch vom anderen Geschlecht genutzt, gespielt oder betrieben werden.

5. Eine starke Präferenz für Spielgefährten des anderen Geschlechts.

6. Bei männlich zugewiesenen Kindern eine starke Ablehnung typisch männlicher Spielzeuge, Spiele oder Aktivitäten und eine starke Abneigung gegen Raufen; oder bei weiblich zugewiesenen Kindern eine starke Ablehnung von typisch weiblichen Spielzeugen, Spielen und Aktivitäten.

7. Eine starke Abneigung gegen die eigene sexuelle Anatomie.

8. Ein starkes Verlangen nach den primären und/oder sekundären Geschlechtsmerk­malen, die dem eigenen Geschlechtserleben entsprechen.

Bei einer Geschlechtsdysphorie bei Jugendlichen und Erwachsenen liegt die ausgepräg­te Diskrepanz (Kriterium A) vor, wenn mindestens zwei der folgenden sechs Kriterien erfüllt sind:

1. Ausgeprägte Diskrepanz zwischen Gender und den primären und/oder sekundä­ren Geschlechtsmerkmalen (oder, bei Jugendlichen, den erwarteten sekundären Geschlechtsmerkmalen).

2. Ausgeprägtes Verlangen, sich der eigenen primären und/oder sekundären Ge­schlechtsmerkmale zu entledigen (oder, bei Jugendlichen, das Verlangen, die Entwicklung der erwarteten sekundären Geschlechtsmerkmale zu verhindern).

3. Ausgeprägtes Verlangen nach den primären und/oder sekundären Geschlechts­merkmalen des anderen Geschlechts.

4. Ausgeprägtes Verlangen, dem anderen Geschlecht anzugehören (oder einem al­ternativen Geschlecht, das sich vom Zuweisungsgeschlecht unterscheidet).

5. Ausgeprägtes Verlangen danach, wie das andere Geschlecht behandelt zu werden (oder wie ein alternatives Geschlecht, das sich vom Zuweisungsgeschlecht un­terscheidet).

6. Ausgeprägte Überzeugung, die typischen Gefühle und Reaktionsweisen des an­deren Geschlechts aufzuweisen (oder die eines alternativen Geschlecht, das sich vom Zuweisungsgeschlecht unterscheidet).“2

Ein Mann verhält sich gender-non-konform. Er macht Frauensachen. Dann wirkt in ihm eine Frau­en-Sachen-Machen-Kraft. Also ist sein Körper falsch und muss zerstört werden. Eine Frau verhält sich gender-non-konform. Sie macht Männersachen. Dann wirkt in ihr eine Männer-Sachen-Machen-Kraft. Also ist ihr Körper falsch und muss zerstört werden.

Es ist der gleiche zirkelschlüssige Gedanke wie in der klassischen patriarchalen Ideologie. Men­schen wagen es, sich in einer Weise zu verhalten, die dem Rollenbild das an ihren Körper angelegt wird, widerspricht. Dann muss in ihnen ein metaphysisches geschlechtliches Wesen, eine Ge­schlechtsidentität, wirken, die nicht zu ihrem Körper passt. Wir dröseln das noch einmal genauer auf.

In der klassischen patriarchalen Ideologie geht der Gedanke ungefähr so: Frauen machen Frauensa­chen, weil in ihnen eine Frauen-Sachen-Machen-Kraft wirke. Männer machen Männersachen, weil in ihnen eine Männer-Sachen-Machen-Kraft wirke. Woher wissen wir, dass es diese Kraft gibt? Sie verhalten sich doch so! Dieser Gedanke ist ein Zirkelschluss. Das zu erklärende Verhalten wird un­ter der Abstraktion „männlich“ oder „weiblich“ zusammen gefasst. Die Abstraktion „männlich“ um­fasst dann so unterschiedliche Dinge wie „Fleisch essen“ und „nicht über Gefühle reden“ oder „DMAX gucken“, die nichts miteinander zu tun haben, außer dass sie von einem Mann getan wer­den (für „weiblich“ könnte man das genauso machen). Diese Abstraktion wird dann durch eine Kraft erklärt, die keinen anderen Inhalt hat als „männliches“ oder „weibliches“ Verhalten hervor zu bringen. Das bedeutet, der Inhalt des Verhaltens tritt sich selbst in veränderter Form, als Kraft, ge­genüber und soll sein eigener Grund sein.

Die queerfeministische Ideologie ist bloß eine Variante dessen. Menschen mit männlichem Körper verhalten sich unmännlich, also wirkt in ihnen offenbar keine Männer-Sachen-Machen-Kraft. Weil man aber an der metaphysischen und idealistischen Denkform festhält, dichtet man ihm dann eine andere Sachen-Machen-Kraft als sein mystisches Geschlecht an, nämlich eine Frauen-Sachen-Ma­chen-Kraft (oder die von einem „alternativen Geschlecht“).

Frausein und Mannsein besteht dann für Transidentifzierende darin, möglichst identisch zu sein mit den Rollenbildern. Die Tautologie trans Frauen wären Frauen hat überhaupt nur einen Inhalt, wenn man damit stereotypes Verhalten meint. Deshalb ist auch die Bestätigung von Außen, dass man dem imaginierten Geschlecht angehöre, noch wichtiger als bei normalen patriarchalen Leuten. Dies geht dann teilweise – konsequenterweise – so weit, dass die mystische Geschlechtsidentität nicht nur für das Hauptsächliche gehalten wird, dem sich der Körper anzupassen habe, sondern behauptet wird, der Körper sei ganz egal, weil man vom Wesen her sowieso das sei, was man halt sei. Das ist konse­quent, weil der Körper objektiv niemals in das andere Geschlecht verwandelt werden kann.

Das Zitat, an dem wir diese Kritik entwickelt haben, ist die wichtigste Leitlinie zur Diagnostik, die so oder so ähnlich fast überall auf der Welt benutzt wird, da die Amerikaner als Vorbild dienen. Das folgende Zitat zeigt nochmal besonders eindrücklich, wie meschugge und patriarchal das Ganze ist.

In 2018 a British teacher recorded a training session on gender by Mermaids, a British charity that campaigns for early paediatric transitioning. The group’s favoured teaching aid is a ‘gender spectrum’ with Barbie at one end and G.I. Joe at the other, and ‘jelly baby’ outline figures in between, morphing from pig-tailed and curvy to stocky and broad-shouldered. The trainer claims that, in many non-Western cultures, it is under­stood that people may not be at the end of the gender spectrum associated with their sex assigned at birth. ‘If they are growing up and if they recognise that some of their jelly babies are further down towards the female [end of the] spectrum’, she says, ‘they may take on a female name and female clothing, live and work as a woman within the tribe, and vice versa to varying degrees.’ In other words, what makes children girls or boys is where they fall on a scale from Barbie to G.I. Joe. It is extraordinary that, nowadays, this counts as progressive.

Helen Joyce: Trans. When Ideology Meets Reality. S. 116 f.

Eine echte Frau ist eine Barbie und ein echter Mann ist ein Actionheld, und wenn du diesem Rollen­bild nicht gerecht wirst, dann steckst du im falschen Körper! Früher wurde einem die Weiblichkeit und Männlichkeit wenigstens bloß im übertragenen Sinne aberkannt; heute wird es wortwörtlich durchgezogen.

Die Mystifikation der Subjektivität als geschlechtliches Wesen wird auch schon an den Subjekten entdeckt, bevor sie überhaupt richtige Subjekte sind, wie man an den folgenden Äußerungen von Diane Ehrensaft, einer Ärztin und queerfeministischen Aktivistin, erkennen kann:

This ‚gender-affirmative‘ approach is championed by the most influential clinicians. One is Diane Ehrensaft, the director of the University of California, San Francisco children’s hospital gender clinic, who sits on the board of Gender Spectrum, an activist group in San Francisco. Her book, The Gender Creative Child, is a manual for early transition. At an event in 2016 run by Gender Spectrum, Ehrensaft claimed that a todd­ler can indicate a trans identity to parents with non-verbal ‚gender messages‘. One born male may unpop the fasteners on a bodysuit to make it look like a dress; one born fema­le may pull out hairclips. She claims that children know if they are transgender by the second year of life – in fact, ‚they probably know before that, but that’s pre-verbal’. She has encouraged parents to socially transition children as young as three.

Helen Joyce: Trans. When Ideology Meets Reality. S. 74 f.

Jede nicht bewusste Regung von Kindern als Kommunikationsakt einer mystischen Geschlechts­identität aufzuladen, ist so dermaßen herangetragen, so jenseits dessen, was da passiert; es macht ei­nen fassungslos. Der praktische Nutzen dieser Theorie ist, dass man mit der Transition möglichst früh beginnen kann, weil man angeblich über Evidenz des geschlechtlichen Wesens des Kindes ver­füge. Das ist äußerst praktisch, wenn man die Pubertät verhindern möchte, damit am Ende ein Kör­per heraus kommt, der ein möglichst überzeugendes Imitat des anderen Geschlechts ist.

Die Argumentation mit dem Empfinden des Subjekts ist nicht besser. Die Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper als Ekel oder Scham ist das verleiblichte, patriarchale Urteil, dass die eigene Sub­jektivität und der eigene Körper nicht zusammen passen würden. Ein patriarchaler Gedanke in der Form des Gefühls.

Einige Queerfeministen versuchen Transidentifikation materialistisch zu adeln, indem sie irgendei­nen mystischen Zusammenhang zum Gehirn der Leute herstellen, das nämlich ein „weibliches Ge­hirn“ in einem „männlichen Körper“ oder eben andersherum sei. Die neurowissenschaftliche Recht­fertigung des Patriarchats spielt ungefähr in der gleichen Liga wie Schädelvermessungen.3 Noch absurder ist die Projektion aktueller linksliberaler Identitäsprobleme in die Vergangenheit. Ähnlich wie bürgerliche Nationalisten versuchen Queerfeministen ihre Ideologie zu rechtfertigen, indem sie behaupten, es habe sie schon immer gegeben. Starken Frauen der Vergangenheit, die ge­gen das Patriarchat rebelliert haben und sich zu diesem Zweck teilweise als Männer ausgegeben ha­ben, wird dann ihr Frausein abgesprochen.

Die Interpretation von gender-non-konformen Verhalten als non-binäre Identität ist auch eine Ver­stärkung patriarchaler Ideologie. Indem man Frauen und Männer, die sich gender-non-konform ver­halten als Nicht-Frau und Nicht-Mann definiert, werden die Rollenbilder wieder restriktiver, enger und die Menschen weniger frei. Als Frauen bleiben dann nur noch „tradwives“ übrig. Der Feminis­mus hat Jahrzehnte dafür gekämpft, dass man als Frau alles sein kann und darf, und die patriarchale Ideologie hat ihnen dafür ihre Weiblichkeit abgesprochen. Heute stellen sich vermeintliche Feminis­ten hin und machen das Gleiche.

Zu Genderfluiden ist bloß zu sagen: Genderfluide sind Teilzeit-Transidentifizierende. Dementspre­chend gilt obige Kritik für sie genauso.

All diese identitätspolitischen Varianten sind eine individualistische Kapitulation vor dem Kampf gegen das Patriarchat. Statt die Gesellschaft zu verändern, versucht man für sich als Individuum eine mit dem Patriarchat konforme Lösung zu finden.

Literatur:

Da wir hier mit Zitaten gearbeitet haben, sollte die Literatur klar sein.

  

2. Subjektivistischer Idealismus

Der Queerfeminismus kassiert nicht nur die marxistische Kritik am Patriarchat und der patriarcha­len Ideologie ein, sondern ist auch ein Angriff auf den dialektischen Materialismus im Allgemeinen.

Am meisten Erfolg auch in der Biologie und der Medizin hatten Queerfeministen mit dem Argu­ment, dass die menschliche Gattung nicht zwei geschlechtlich wäre. Das Argument kommt in ver­schiedenen Varianten. Erstens gebe es auch Intersexualität, also menschliche Körper, Einzelne, die nicht identisch wären mit den Begriffen von Mann und Frau, sondern Merkmale von beidem auf­weisen würden. Zweitens würden nicht alle Frauen gebärfähig sein, und nicht alle Männer zeu­gungsfähig. Oder etwas hochgestochener formuliert, das Geschlechterverhältnis sei nicht binär, son­dern eine bimodale Glockenkurve.

Wie Engels schon in der Dialektik der Natur bestimmt hatte, sind die alten, starren metaphysischen Begriffe lange schon von der naturwissenschaftlichen Forschung widerlegt. Alle Dinge gehen inein­ander über, alle Prozesse verwandeln sich ineinander. Männer verwandeln sich in Frauen und Frau­en verwandeln sich in Männer – durch den Prozess der Befruchtung einer Frau durch einen Mann, ihre Schwangerschaft und das Gebären eines neuen Menschen. Dieser neue Mensch ist das Ergebnis dieser Verwandlung. Und manchmal geht dabei etwas schief. Intersexuelle sind weit weniger als 1 % der Bevölkerung. Es gibt nur zwei Geschlechter, deren Geschlechtsverkehr den Prozess der Gattung am Laufen hält. 4

Es gibt übrigens nirgends auf der Welt ein konkretes Einzelnes, das absolut identisch mit seinem all­gemeinen Begriff wäre: Nicht bei Tischen, nicht bei Bäumen, nicht bei Schrauben, nicht bei Mole­külen, bei gar nichts. Dass Frauen nicht ihr Leben lang gebärfähihg sind und einzelne Frauen es nie werden, ändert nichts daran, dass die Gattung Mensch zwei Geschlechter hat und Frauen im Allge­meinen die Kinder gebären. Die Queerfeministen kommen mit einer Pseudodialektik daher, die von der Welt weniger versteht als die ersten Viehzüchter, die den Farren auf die Färse gelassen haben. Jede Schwangerschaft widerlegt in der Praxis diese absurden Theorien.

Unter Berufung auf die Empfindung von Menschen leugnet der Queerfeminismus die objektive Rea­lität von geschlechtlichen Körpern. Die empfundene Geschlechtsidentität wird zu einem mysti­schen Wesen, das man halt hat. Objektiv ist es eine ideologische Schrulle der Leute, die ihnen ge­genüber als Gefühl auftritt. Dieses Gefühl für die Wirklichkeit zu halten, für etwas Objektives zu halten, das wichtiger ist als das wahrhaft Objektive, das Materielle, das Körperliche, ist subjektivis­tischer Idea­lismus. Die objektive Wahrheit und Vernunft sollen durch subjektive Wahrheit und Will­kür ersetzt werden.

Die Forderung nach der Benutzung der gewählten Pronomen, die Skandalisierung des „Deadna­ming“ (wenn man jemanden mit seinem ursprünglichen Namen benennt), und die Forderung an Lesben transidentifizierende Männer als Frauen anzuerkennen, sind die Forderung an die Gesell­schaft, den Wahn des Individuums zu spiegeln. Die fixe Idee, eine Frau im falschen Körper zu sein, kann nie realisiert werden. Es ist schlicht objektiv so, dass transidentifizierende Männer männliche Körper haben. Deshalb müssen die Rollenbilder mit so viel Verve bedient werden, um wenigstens ansatzweise die Illusion zu stiften, dass eine trans Frau eine Frau wäre. Deshalb muss mit so viel Vehemenz von allen eingefordert werden, den Wahn zu bestätigen, weil er durch den kleinsten Wi­derspruch existentiell bedroht wird. Trans Frauen sind keine Frauen. Transidentifizierende Männer bleiben Männer.

Von der Praxis zur Theorie und wieder zur Praxis ist unsere Methode eine relative, objektive Wahr­heit zu ermitteln und ihren Wahrheitsgehalt zu erweitern. Der Queerfeminismus verabschiedet sich von der objektiven Wahrheit. Dadurch steht er dem politischen Zweck der Revolution entgegen, denn wir müssen die Welt erkennen, um sie verändern zu können. Und wir müssen uns selbst erken­nen, um die Welt verändern zu können.

Wir müssen die Welt nicht nur individuell erkennen, sondern kollektiv. Der Begriff der Vernunft aus der bürgerlichen Philosophie der Aufklärung, aus einer Zeit, als die Bourgeoisie noch eine revolutio­näre Klasse war, muss von uns hoch gehalten werden. Die Vernunft ermöglicht den Men­schen sich untereinander auf das zu verständigen, was objektiv ist. Die Sprache und die Vernunft unterscheiden den Menschen von allen Tieren, weil sie notwendig sind, wenn man gemeinsam ar­beiten, gemeinsam die Welt verändern will. Die Vernunft ist die Philosophie der Revolution. Der Ir­rationalismus und der Mythos sind die Philosophie der Reaktion.

Eine Sprache, die die Welt möglichst präzise bestimmt, ist die Bedingung jeder Kritik und Organi­sation. Wenn wir die objektive Welt nicht begrifflich fassen können, können wir auch keine Einheit über Kritik der Verhältnisse und Strategien für ihre Abschaffung erreichen.

Die Ablehnung von objektiver Wahrheit und Vernunft der Queerfeministen führt auch dazu, dass au­toritäre Maßnahmen, Hetzkampagnen und alle möglichen Formen reaktionärer Gewalt eine so gro­ße Rolle für diese Bewegung spielen. Denn wer seinen Gegner nicht kritisieren kann, der muss sei­ne Meinung verbieten. Wenn man sich durch eine Ablehnung der Vernunft aller demokratischen Mittel beraubt, dann bleiben nur noch die der Diktatur – auch innerhalb des Volkes.

Literatur:

Die marxistische Literatur zum Dialektischen Materialismus, insbesondere Lenins „Materialismus und Empiriokritizismus“.

  

3. Transidentifikation ist eine psychische Krankheit

Die objektive Gesundheit des Körpers besteht darin, dass er in normalem Maß zur Vermittlung von Subjektivität und Welt taugt. Das heißt, das Subjekt muss durch den Körper zur Praxis schreiten können; das Subjekt muss die Welt wahrnehmen, genießen, verändern und bearbeiten können, und zwar in einem für die Gattung Mensch historisch bestimmten normalen Maß. Ein gesundes, subjek­tives Verhältnis zum eigenen Körper und zur eigenen Subjektivität beruht in der Hauptsache auf Identität und nicht auf Kampf, auf Liebe und nicht auf Hass. Selbstverständlich gibt es im Wider­spruch vom Selbst immer auch Kampf.

Das gesunde Subjekt ist in sich frei, sich selbst zu ordnen, seinen Gedanken eine Richtung zu ge­ben. Die Verrücktheit bedeutet in einer besonderen Bestimmtheit befangen zu bleiben, und diese Freiheit einzubüßen. Dieser Zustand der Zerrüttung des Geistes bedeutet nicht den abstrakten Ver­lust der Vernunft, weder nach der Seite der Intelligenz noch des Willens, sondern ist ein Wider­spruch in der Vernunft. Genauso wenig wie die leibliche Krankheit ein gänzlicher Verlust der Ge­sundheit wäre (das wäre der Tod), sondern bloß ein Widerspruch in ihr ist. Die Verrücktheit ist nicht das absolut Andere zur Vernunft; am Verrückten ist seine Vernunft nicht ausgelöscht. Er bleibt Ver­nunftwesen, er bleibt Mensch.

a) Das Verhältnis zum Körper

Wenn man übergewichtig ist, und dadurch sein Herz-Kreislaufsystem gefährdet, mehr schnarcht, schlechter schläft, und schneller erschöpft ist als es für die eigenen Zwecke optimal wäre, dann ist das ein Problem. Das erkennt man, treibt mehr Sport, und isst anders, und nimmt ab. Die Unzufrie­denheit, die Ausgangspunkt dieser Veränderung ist, ist kein krankhafter Bezug auf das eigene Selbst. Wenn man untergewichtig ist, und dadurch den eigenen Hormonhaushalt durcheinander bringt, die Knochendichte verschlechtert, ständig erschöpft und kraftlos ist, dann ist das ein Pro­blem. Das erkennt man, und isst anders, und nimmt zu. Die Unzufriedenheit, die Ausgangspunkt dieser Veränderung ist, ist kein krankhafter Bezug auf das eigene Selbst.

Wenn man magersüchtig ist, und trotz objektivem Untergewicht meint man müsse weiter abneh­men, dahinter der Wunsch steckt zu verschwinden und sich selbst auf diese Weise wenigstens klein zu machen, vielleicht auch zu vernichten, dann ist das ein krankhafter Bezug auf sich selbst und den eigenen Körper. Wenn man Anabolika nimmt, und immer größere Risiken eingeht, weil man sich immer noch nicht groß genug, und stark genug und männlich genug findet, dann ist das ein krank­hafter Bezug auf sich selbst und den eigenen Körper. Wenn man objektiv krankhaft fett ist, und sich selbst im Namen der Selbstliebe einredet, dass das ganz großartig sei, dann ist das der Versuch kei­ne Verantwortung für sich selbst zu übernehmen, und ein krankhafter Bezug auf sich selbst und den eigenen Körper.

Die Transition eines Körpers zur Simulation des anderen Geschlechts umfasst ggf. die Einnahme von Pubertätsblockern, plastisch chirurgische Eingriffe, und den lebenslangen Konsum von Ge­schlechtshormonen. Die Blockierung der geschlechtlichen Reife verursacht Sterilität. Darüber hin­aus wird die Entwicklung zur Empfindung eines Orgasmus verhindert. Außerdem bilden sich die Geschlechtsteile nicht aus, sodass für den plastisch-chirurgischen Eingriff dann aus anderen Körper­teilen etwas heraus geschnitten werden muss. Die Entfernung von Brüsten, Vagina, und ggf. Uterus, oder Penis und Hodensack und die plastische Nachbildung der gewünschten Attrappe haben vielfäl­tige Nebenwirkungen, die immer wieder zu operativen Eingriffen führen, um den Schaden zu be­grenzen – teilweise auch zum Tod des Patienten. Wer Frauen kennt, die die Pille genommen haben, oder Menschen, die Anabolika konsumiert haben, der hat schon eine Vorstellung davon, was der jahrzehntelange Konsum von Hormonen verursacht, die in dieser Dosis nicht in den Körper gehö­ren. Zu den Nebenwirkungen zählen unter anderem steigende Risiken für Herzkreislaufprobleme, Bluthochdruck, Herzinfarkte, Schlaganfälle, Demenz im Alter, Verlust an Knochendichte, und ver­schiedene Krebsarten.5

Hier sei auch nochmal darauf hingewiesen, dass so ziemlich jeder Mensch im Patriarchat eine Ent­fremdung zwischen sich selbst und seinem Körper im Laufe der Kindheit und Adoleszenz verspürt und normalerweise im Zuge der Adoleszenz auf Grundlage der körperlichen Entwicklung der Pu­bertät seinen Frieden mit sich selbst macht. Die materielle Grundlage für diesen Reifeprozess der Subjektivität ist die körperliche Veränderung in der Pubertät – und die wird blockiert! Die Puber­tätsblocker sind kein Beitrag zur Heilung von Genderdysphorie, sondern verursachen sie mit.

Im Gegensatz zu Anabolika-Konsum oder Schönheitsoperationen (schlimm genug, möchte man meinen) zielt die Transition nicht auf die Aufhebung einer partiellen Unzufriedenheit mit dem Kör­per, sondern auf die Vernichtung des Körpers, um einem metaphysischen und idealistischen Gefühl Genüge zu tun, das meint, dass der Körper in der Hauptsache falsch wäre. Das ist ein krankhafter Bezug auf den eigenen Körper. Diese Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper, sei es nun Ekel, Scham oder Hass, ist krankhaft und gehört nicht ins Recht gesetzt. Der Inhalt dieser Gefühle ist ein das Patriarchat rechtfertigendes Selbstbild und reaktionär.

b) Das Verhältnis zur Subjektivität

In der Transidentifikation steckt aber nicht nur ein krankhafter Bezug auf den eigenen Körper, son­dern auch ein krankhafter Bezug auf die eigene Subjektivität und Misogynie. Das Motiv für Transi­dentifikation sind oft die verinnerlichte Homosexuellenfeindlichkeit von Homosexuellen selbst und der Versuch, sich der Homosexuellenfeindlichkeit der Gesellschaft zu entziehen. Die Homosexuali­tät als gender-non-konformes Verhalten wird zum Anlass genommen, der Person einen falschen Körper einzureden oder auch sich selbst einzureden, um dem Hass der Anderen und der eigenen fal­schen Scham zu entfliehen. Hinzu kommt zumindest bei Schwulen der sexuelle Neid auf Frauen als spezifische Ergänzung der allgemeinen patriarchalen Frauenfeindlichkeit von Männern. Die objekti­ve Unterlegenheit von Schwulen in der Konkurrenz mit heterosexuellen Frauen um das sexuelle In­teresse von heterosexuellen Männern kann subjektiv zu einem Ohnmachtsgefühl und Neid führen, der die allgemeine patriarchale Ideologie, die Männer sowieso im Patriarchat für gewöhnlich haben, ergänzt. In seinem polemischen Essay „Gay Shame“ beschäftigt sich der schwule Drehbuchautor Gareth Roberts mit dem Verhältnis von Schwulenfeindlichkeit und Queerfeminismus und schreibt:

All of that early angst and envy will inevitably leave some kind of a mark. This can ran­ge from almost non at all to a very great deal. In that latter category, I think it leaves some gay men with a percolating resentment and sexual jealousy of women, which they carry with them into later life. In others, I think it leaves a kind of hate. This is mostly unspoken. It’s not pleasant to think about. And it’s not fair to ascribe hidden motivations to people, like a mindreader. But if they’re being honest, gay men will tell you they’re aware of this – and women certainly will. I’ve done some very unscientific research on this, asking gay male friends and friends of friends to speak anonymously on the subject. Here are some highlights.

‘I think the misogyny comes from gay men wishing they were women because they think well, then they could have any man.’

‘Growing up and seeing girls turning blokes down was so frustrating, I’d have shagged them all.’

‘I didn’t want to be a woman but I saw the power – I mean the sexual power – women had over men, and I wished I had that. Girls just didn’t appreciate it.’

‘I think some gay men that transition, it’s all about wanting straight men to lust after them ‘cause they don’t think gay men are real men.’

These are the considered words of people I know, or their friends and partners. I remem­ber in my younger years similar thoughts being (secretly) expressed much more force­fully and vituperatively by gay men I didn’t much care to know, often mixed with open disgust for women’s bodies and anatomy. I can remember some of that very clearly and I don’t want to repeat it here. You can imagine.

Gareth Roberts: Gay Shame. The Rise of Gender Ideology and the New Homophobia. S. 44 f.

Diese beiden Zitate gehen einfühlsam und doch kritisch darauf ein, wie die Ohnmachtsgefühle, die homosexuelle Männer in ihrer Adoleszenz erleben, die Subjektivität prägen können, ohne die Ver­antwortung, die man für die eigene Subjektivität hat, zu leugnen. Er beschreibt, inwiefern schwule Männer – es mag einige Leser überraschen, aber Schwule sind in erster Linie Männer – aufgrund ihrer spezifischen Stellung im Patriarchat die allgemeine patriarchale Ideologie, die allgemeine Frauenverachtung spezifisch ergänzen. Aus dem Ohnmachtsgefühl in der Konkurrenz mit Frauen kann sich ein sexueller Neid auf sie entwickeln, der an sich sowohl das Moment hat, Frauen zu ver­achten, als auch wie sie sein zu wollen.

Der objektive Umstand, dass Frauen das Begehren von heterosexuellen Männern auf sich ziehen, wird übrigens von allen Menschen im Patriarchat regelmäßig den Frauen zur Last gelegt. Auch he­terosexuelle Männer und Frauen verachten Frauen dafür, dass sie das Begehren von heterosexuellen Männern auf sich ziehen. Frauen beneiden auch Frauen, aber als prinzipiell Gleiche. Schwule Män­ner beneiden Frauen und sind patriarchale Männer. Das ist eine Besonderheit.

Transidentifizierende Männer, die auf Männer stehen, sind eigentlich schwule Männer. Ihre spezifi­sche Form von Misogynie und ihre verinnerlichte Homosexuellenfeindlichkeit haben auch etwas mit ihrer Transidentifikation zu tun. Gareth Roberts gibt dafür zwei sehr krasse Beispiele:

We are all aware of accusations of internalised homophobia. One of the most striking features of the new homophobia is that it is externalised. Why do some gay boys run to a ‘trans’ diagnosis, and why do many more support the drugs and the surgeries?

This is another icky subject that makes people squirm, and I’m no exception. But it has to be faced. Let’s look at Transitional: In One Way or Another We All Transition (Bloomsbury, 2023), a volume of memoir from trans-identifying male model Munroe Bergdorf. ‘… though I knew I was gay and even though I understood that being gay was not a thing to be shamed for, I was still ashamed,’ he tells us. He was ‘absolutely terri­fied that I’d become a monster’. And then one day comes a revelation. ‘I assumed that I must have been male and I assumed that I must have been gay, because I was assigned male at birth [sic], because I’m in this body that everybody refers to as male and becau­se I find men’s bodies sexually attractive. I didn’t know there was anything else other than straight or gay….’ (I have news for him.) ‘I didn’t have the reach or understanding or language beyond being gay.’ He talks of his ‘becoming a woman’ as ‘transitioning out of shame and into pride’.

What is any of that except externalised homophobia? An internal reaction to homopho­bia – shame and unhappiness at same-sex attraction – which is then ‘solved’ by ‘beco­ming’ female. If society still doesn’t view you as male – as we saw in Chapter 1 – why not adjust your body to fit?

It’s hard for men like me, who grew up decades before Bergdorf and in a considerably less privileged and cultured milieu, and who reacted to such homophobia not with ago­nies of self-doubt but with anger (luckily I inherited a strong stroppy streak), to begin to understand his shame. But it explains a lot. Even a stony face like mine can’t help a twitch of empathy, though I’m quite sure it wouldn’t be appreciated. There we have it. Couldn’t be any clearer, could it? Cillit Trans. Bang – and the gayness is gone.

Added to this big dollop of homophobia there’s the streak of sexual jealousy and sexism I discussed earlier, a desire to be lusted after by ‘real’ men – to be ‘fucked like a wo­man’ in the words of trans-identifying author Juno Dawson – or as writer Paris Lees put it, Last summer I went to Ibiza, where I was catcalled, sexually objectified and trea­ted like a piece of meat by men the entire week. And it was absolutely aweso­me’ – enabled by a dose of cracked academia and general institutional failure.

These gay men are almost the very last category of person that homosexuals, or anybo­dy else, should be ‘affirming’. They are victims themselves, though their behaviour to­wards sex realists means it is often hard to summon sympathy.

Gareth Roberts: Gay Shame. The Rise of Gender Ideology and the New Homophobia. S. 136 f.

Das patriarchale Urteil, dass Homosexualität etwas Minderwertiges und Verachtenswertes wäre, nimmt bei Heterosexuellen als Gefühl die Form von Hass und Ekel an, und bei Homosexuellen nimmt es als Gefühl die Form von Scham und Selbstekel an. So auch hier in den Äußerungen von Munroe Bergdorf. Wenn man dann auch noch das metaphysische Urteil teilt, dass der Körper einem geschlechtlichen Wesen entsprechen müsse, dann kann man zu dem falschen, aber folgerichtigen Schluss kommen, dass der Körper aufgrund des eigenen homosexuellen Begehrens falsch wäre, und sich für diesen Körper schämen und sich vor ihm ekeln. Wenn man sexuellen Neid auf Frauen ver­spürt, dann ist es auch folgerichtig, dass man die Übergriffigkeit von heterosexuellen Männern auf einen selbst, weil sie einen für eine Frau halten, als Anerkennung und Steigerung des eigenen Selbstwertgefühls erlebt. Dann hat man sich patriarchale Kriterien zum Maßstab des eigenen Selbst­wertgefühls gemacht. Die Ignoranz vor dem eigenen Willen durch Männer, die Ignoranz gegenüber dem eigenen Subjektstatus durch Männer, die praktizierte Übergriffigkeit von Männern zu genie­ßen, ist auch ein krankhafter Bezug auf sich selbst und politisch falsch.

Die Relevanz gesellschaftlicher und verinnerlichter Homosexuellenfeindlichkeit für Transidentifi­kation war auch wesentlicher Bestandteil des Skandals um die Tavistock Klinik in England. Der Skandal um die Tavistock Klinik wird von Hannah Barnes in ihrem Buch „Time to Think. The In­side Story of the Collapse of the Tavistock’s Gender Service for Children“ aufgearbeitet. Dort wur­de Kindern mit gender-non-konformen Verhalten systematisch eingeredet, sie bräuchten einen ande­ren Körper, um sich an der Therapie zu bereichern – insbesondere Homosexuellen. Hierzu schreibt Helen Joyce:

An under-acknowledged reason some parents take the gender-affirmative approach is that they cannot bear gender non-conformity or homosexuality, and instincitvely under­stand the link between the two. In 2019 after some staff at the Tavistock raised concerns that children were being fast-tracked to transition, an internal review passed to Newsnight, the BBC’s flagship investigative program, concluded that parents who pre­ferred their child to be trans and straight, rather than ‘cis’ and gay, played a significant role in some referrals. Two clinicians said there was a dark joke among staff that soon ‘there would be no gay people left.’

Helen Joyce: Trans. When Ideology Meets Reality. S. 86.

Man braucht nicht viel Mitgefühl, um sich vorzustellen, wie sich das für die Kinder angefühlt haben muss. Sie sind Eltern ausgeliefert, die sie für ihre mangelnde Entsprechung mit patriarchalen Rol­lenbildern verachten, sich für sie schämen, sich vor ihnen ekeln, und die Kinder wollen ihre Eltern lieben, weil sie es müssen, wollen ihnen gefallen. Und dann wird ihnen ein Ausweg angeboten.

Hoffentlich ins Auge springt die Schwulenfeindlichkeit den meisten Lesern beim Beispiel der staat­lichen Zwangs-Transition im Iran und in Pakistan. Länder, in denen Schwule fürchten müssen, dass man sie foltert und körperlich bestraft, wenn der Staat ihre Homosexualität mitbekommt, erlauben Transidentifikation und Transition. So wird die Transition die einzige Möglichkeit, eine Beziehung zwischen zwei Männern zu führen, ohne in permanenter Angst zu leben.

Homosexuellenfeindlichkeit ist auch für Frauen ein Motiv, sich trans zu identifizieren. So schildert Helen Joyce den Fall einer Lesbe namens Ben, deren Transidentifikation endete, nachdem sie sich mit Feminismus beschäftigt hatte:

In 2017 Ben, a young Canadian lesbian, went to Michigan Framily Reunion, an event on private land arranged by some of Michfest’s organisers. In her early teens Ben identi­fied as a trans man, though she never took hormones or had surgery. Her re-identificati­on as a woman, at age twenty, came two years after her realization that she was sexually attracted to women and her discovery of radical feminism. The Framily Reunion played a big part. ‘All these women with cargo shorts and hairy legs and Birkenstocks and no bras!’ she exclaims (this is a good description of Ben, these days). ‘It was the first time I had met butch lesbians en masse. I looked at them and thought: I’m literally just a dyke like they are’. Ben marvelled at care free little girls playing tag with no shirts on. ‘I re­member thinking if I had come here when I was their age, I might not have ended up the way I did. I would have been more fortified in my femaleness’, she says. At first her hatred of her body meant she skipped washing – the showers were communal, as at Michfest – but on the final day she plugged up courage, walked around without her shirt, and showered. It was an act of ownership over my body’, she says. ‘I felt a safety I had never felt before. A space just for us, where we’re the ones that mat­ter’.

Helen Joyce: Trans. When Ideology Meets Reality. S. 169 f.

Das Beispiel von Ben zeigt nicht nur, inwiefern der Queerfeminismus eine antifeministische Ideolo­gie ist, sondern auch, welchen heilsamen Effekt auf die Subjektivität eine richtige Ideologie hat, und welche Rolle kollektive Praxis, in diesem Fall ein sozialer Raum exklusiv für Frauen, dabei spielt.

Die Misogynie, die in der Transidentifikation steckt, wird auch nochmal sehr gut im folgenden Zitat auf den Punkt gebracht:

A remarkable example of deconstruction is provided by the definition of ‘female’ propo­sed by Andre Long Chu, an American trans woman and author of Females: A Concern, published in 2019. ‘Everybody is female, and everybody hates it!’, writes Chu. ‘Fema­leness is a universal sex defined by self-negation… I’ll define as female any psychic operation in which the self is sacrificed to make room for the desires of another… [The] barest essentials [of femaleness are] an open mouth, an expectant asshole, blank, blank eyes’.

This definition is obviously influenced by pornography (and Chu has written that ‘sissy porn did make me trans’). It is striking that receptive anal sex, which is possible for people of both sexes, is the act that Chu regards as defining females. If you actually are female, it is also highly offensive – and would be incomprehensible if you did not un­derstand that the aim is to enable males to count as females.

Helen Joyce: Trans. When Ideology Meets Reality. S. 69.

Ähnlich wie oben in dem Ibiza-Zitat wird hier Weiblichkeit als Genuss der Degradierung des Selbst durch männliches Begehren definiert. Das ist auch folgerichtig, denn wenn man die biologische Rea­lität von Geschlecht leugnet, dann muss man die reaktionären Stereotype für das Wahre am Ge­schlecht halten.

Ein anderes Motiv für Transidentifikation ist Autogynephilie. Autogynephile sind heterosexuelle Männer, die Lust daraus gewinnen, sich selbst als Frau vorzustellen (no kink shame an dieser Stel­le). Wenn sie sich transidentifizieren, sind sie die heterosexuellen Männer, die von Lesben einfor­dern, sie auch trotz Schwanz als Frauen anzuerkennen. Das sind einfach übergriffige, exhibitionisti­sche Heten, die die patriarchale Macht genießen wollen, unwilligen Frauen ihren männlichen Kör­per aufzudrängen (auf jeden Fall kink shame an dieser Stelle). Um das ein bisschen zu verstehen, ein weiteres Zitat aus dem Buch von Helen Joyce:

Sexual tastes you do not share are inevitably hard to comprehend. But autogynephilia is especially so, since it is rare and even more rarely spoken of. Lawrence reveals a secret world. She talks about the ‘pain, frustration and incomprehension’ autogynephiles feel about not having the bodies they want. Many of their fantasies are clearly sexual, even if unusual – for example, imagining being penetrated in a non-existent vagina while pla­cing something in one’s anus. But almost anything coded female or feminine, she wri­tes, can cause an ‘intense, perplexing, shame-inducing erotic arousal that seems to si­multaneously animate and discredit [autogynephiles’] desires to have female bodies’. Her informants recount erotic fantasies of pushing a baby buggy, joining a knitting circle, being called ‘ma’am’, having bubble-gum-blowing contests with girls, wea­ring clip-own earrings, taking birth control pills, having a PAP smear test and so on and on.

Lawrence considers the mechanism whereby this inwardly directed desire brings a cross-sex identity into being. She draws an analogy with the way the average heterose­xual man not only wants sex with women, but has romantic feelings for his beloved and bonds with her. Autogynephiles, she thinks, do not merely desire their inner woman: They are ‘men who love women and want to become what they love’. Cross-dres­sing often loses its intense sexual charge over time, and becomes comfortable and rela­xing, just as a happily married man becomes less sexual excited by his wife, but beco­mes ever more deeply attached to her.

Helen Joyce: Trans. When Ideology Meets Reality. S. 43 f.

Das Problem fängt schon bei dem Inhalt dessen an, was da für erotisch empfunden wird. Es gibt zwar keine vom Patriarchat unbefleckte Sexualität, aber man kann sich schon mal Rechenschaft darüber ablegen, was man begehrt und was einen erregt. Hier ist es die Imagination des Selbst als identisch mit dem patriarchalen, weiblichen Rollenbild und einem weiblichen Körper. Man kann sich dem gegenüber liberal stellen, weil persönliches Verhalten nur kritisiert werden muss, wenn es politisch ins Gewicht fällt, und das tun Masturbationsfantasien nicht, aber man muss auch nicht so tun, als ob das fortschrittlich wäre. Das Problem geht erst da richtig los, wo Leute dann das sein wollen, was sie begehren. Das reaktionäre, weibliche Rollenbild, selbst zu performen und dafür An­erkennung zu wollen, ist reaktionär. Und wenn man im eigenen Kink befangen bleibt und dieses Moment der eigenen subjektiven Fantasie für das Objektive schlechthin hält, dann ist das Verrückt­heit. Und wenn man die Anerkennung dessen von Lesben einfordert, dann ist das übergriffig.

Wir verschonen den Leser an dieser Stelle mit expliziteren Beschreibungen. Wer uns nicht glaubt, dass das reaktionär ist, möge sich die Inhalte, die bei FeministWiki verlinkt sind, anschauen.6

Transidentifizierende Frauen, sogenannte Transmänner, sind keine Männer und machen daher auch weit weniger Probleme im Patriarchat. Sich der Rolle als Frau im Patriarchat entziehen zu wollen, indem man sich einbildet ein Mann zu sein und zu fordern diese Einbildung bestätigt zu bekommen, und im Namen dieser Einbildung den Körper zu zerstören, ist zwar eine individualistische Kapitula­tion vor dem Kampf gegen das Patriarchat, aber kommt immerhin ohne die patriarchalen Praktiken der Männer aus. Es bleibt aber ein krankhafter Bezug auf Körper und Subjektivität. Der Versuch, das patriarchale Rollenbild zu erfüllen, fällt meistens weitaus weniger energisch aus, weil es darum geht, der eigenen patriarchalen Unterdrückung zu entfliehen und nicht darum, patriarchale Unter­drückung zu zelebrieren.

Das Argument, dass Transidentifzierende leiden würden, führt nirgendwo hin. Transidentifikation ist eine Krankheit und wie jede Krankheit geht sie mit einem Leiden einher. Sicherlich ist es auch so, dass sich bei vielen nach der Transition eine „Gender-Euphorie“ einstellt. Wer wahnhaft davon ausgeht, im falschen Körper zu sein und einen anderen zu brauchen, wird auch wahrscheinlich erst­mal zufrieden sein, wenn er einen anderen Körper bekommt. Aber das geht mit einer massiven Selbstverletzung einher, die zu dauerhaften Gesundheitsschäden führt. Wenn Menschen sich mit Ra­sierklingen ritzen, dann fühlen sie sich dadurch auch meistens befriedigt, aber das Bedürfnis, das da befriedigt wird, ist trotzdem krankhaft und abzulehnen. Wenn Menschen magersüchtig sind, leiden sie auch wirklich an ihrer Körperwahrnehmung und wünschen sich wirklich magerer zu sein, aber es ist trotzdem krankhaft und abzulehnen. Wenn Menschen suizidal sind, dann leiden sie auch wirk­lich an ihrem Leben und wünschen es zu beenden, aber das ist trotzdem krankhaft und abzulehnen.

Nicht der Körper ist das Problem, sondern die krankhafte Subjektivität und die Heilung ist Kritik und Selbstkritik beziehungsweise Psychotherapie. Dagegen werden Queerfeministen jetzt mit Schnappatmung einwenden, dass das eine Ungeheuerlichkeit sei und ein verachtenswerter Mangel an Empathie. Das Gegenteil ist wahr. Die Logik des Queerfeminismus fällt hinter die bürgerliche Psychologie des 19. Jahrhunderts zurück. Mit Hegel und Pinel plädieren wir dafür, den Verrückten als Vernünftigen ernst zu nehmen. Wir beharren auf dem allgemein Menschlichen des Verrückten. Wir beharren darauf, dass trotz allem Wahn ein Mensch, ein Vernunftwesen, ein mit Sprache er­reichbarer vor uns steht. Die Queerfeministen degradieren den Transidentifizierenden zum Tier, das zu keinem reflektierten Verhältnis zu sich selbst fähig sei, seiner falschen Empfindung ausgeliefert, und zur Vernichtung der eigenen Subjektivität durch Selbstmord getrieben sei, wenn es nicht die Heilung durch Vernichtung des Körpers gestattet bekäme. Das ist erstens empirisch falsch, und zweitens eine Herabwürdigung dieser Menschen. Und ihr beruft euch bei dieser Herabwürdigung des Menschen auch noch auf das Mitgefühl! Verstümmelung im Namen des Mitgefühls! Zu dieser irrationalen Ethik kommt man nur, wenn man das Individuum als unfehlbar und heilig setzt, und dann ist noch jedes wahnhafte Gefühl ein unhinterfragbares moralisches Gebot. Die Grundlage un­serer Moral aber ist der Klassenstandpunkt des Proletariats und nicht das Individuum. Daraus folgt, dass wiralle Verhältnisse umwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist. Und dem Wahn des Kranken zuzustimmen, seine Vernunft, seine Menschlichkeit zu leugnen, und stattdessen seinem Wahn recht zu geben, indem man ihn ver­stümmelt, heißt ihn zu knechten, ihn zu verlassen, ihn zu verachten.

Literatur:

Natürlich wieder die zitierte Literatur und Hegel, G. W. F.: Die Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften. I-III.

  

4. Männer in Frauenräumen

Die soziale Trennung von Männern und Frauen hat im Patriarchat zwei Gründe: 1. Die Verdrängung der Frau aus Räumen für Männer zwecks ihrer patriarchalen Unterwerfung. 2. Der Schutz von Frau­en vor Männern.

Als Kommunisten müssen wir uns bei der sozialen Trennung von Männern und Frauen stets fragen, ob sie der patriarchalen Unterwerfung der Frau dient, und ihrer demokratischen Teilhabe im Wege steht, oder ob sie Frauen schützt, oder beides.

Es gibt zum Beispiel immer wieder Berichte von Frauen, dass sie auf Demonstrationen ange­grabscht werden. Besonders wenn der Block eng steht, und man nicht sicher sagen kann, wer es war, fühlen sich manche Täter sicher. Muslimische Reaktionäre haben auf ihren Demonstrationen eine Lösung für dieses Problem gefunden: Frauen laufen dort in einem eigenen Block in Burka. Man muss ganz klar sagen: Das Problem ist gelöst. Aber die Frauen bezahlen ihren Schutz vor se­xuellen Übergriffen auf Demonstrationen damit, dass ihre demokratische Teilhabe massiv einge­schränkt wird (was sicherlich auch Teil des Zwecks dieser Reaktionäre ist). Alles in allem ist diese Maßnahme abzulehnen. Der ideologische Kampf gegen den männlichen Chauvinismus, Wachsam­keit gegenüber übergriffigem Verhalten, Bestrafung von Tätern, und Wehrhaftmachung von Frauen sind zweckmäßiger.

Dennoch macht die soziale Trennung von Männern und Frauen teilweise Sinn. Patriarchale Gewalt wird von Männern gegen Frauen angewendet, und es ist relativ zur Gefahr für Frauen angemessen, Männer unter Generalverdacht zu stellen, und Frauen in besonders verletzlichen Situationen exklu­sive Räume zur Verfügung zu stellen. Männer haben auf Frauentoiletten, in der Damensauna, in Umkleidekabinen für Frauen, in Schlafsälen für Frauen, in Frauenhäusern, Gruppentherapien für Frauen und so weiter nichts zu suchen. Solange es noch Knäste gibt, ist es auch eine gerechtfertigte Forderung, Knäste für Frauen und Männer zu haben. Die Gefahr, die sich daraus ergibt, mit Män­nern eingesperrt zu werden, ist untragbar und überwiegt bei weitem die ideologischen Schrullen von Transidentifizierenden. Denn es ist ein Loophole für sexuelle Gewalttäter, wenn sie sich bloß als Frauen identifizieren müssen, um Zugang zu Frauen in verletzlichen Situationen zu bekommen. Un­gefähr die Hälfte der sich transidentifzierenden Männer, sogenannte trans Frauen, in Knästen in Großbritannien, wurde mindestens einmal für Sexualstraftaten verurteilt, weil Transidentifikation ein Ticket für Vergewaltiger in den Frauenknast ist.7 Wir sagen nicht, dass Transidentifzierende not­wendig übergriffig sind. Wir sagen, wer übergriffig sein will, hat ein Motiv für Transidentifikation.

Ein Beispiel für das Zusammenspiel von Queerfeminismus und sexuellen Übergriffen ist das Michi­gan Womyn’s Music Festival, das sogenannte Michfest. Es war ein lesbisches Festival von Frauen für Frauen von 1976 bis 2015. Dort war es unter anderem so, dass es öffentliche Outdoor-Duschen gab, wo man beim Duschen von allen gesehen wurde. In einem Raum, in dem es nur Frauen gab, war das kein Problem. Denn sexuelle Gewalt gegen Frauen geht im Patriarchat fast immer von Männern aus. Ab Anfang der 90er Jahre zog es queerfeministischen Protest auf sich, weil es nur biologische Frauen willkommen hieß. Eine Aktionsform des Protests bestand darin, dass sich transi­dentifzierende Männer, sogenannte trans Frauen, auf das Festival gingen und die Duschen benutz­ten. Das bedeutet, sie haben in einem Raum von Frauen für Frauen ein überwiegend lesbi­sches Publikum dazu gezwungen, unwillentlich ihren Schwanz zu sehen. Das ist ganz schlicht und einfach Exhibitionismus. Exhibitionismus von Männern ist eine patriarchale Machtdemonstration und ein sexueller Übergriff. Dass Frauen sich davor schützen wollen, deuten Queerfeministen als transphob.8

Sport ist ein weiteres Feld, wo es exklusive Räume für Frauen braucht. Frauen sind im Durchschnitt Männern körperlich unterlegen, und zwar hauptsächlich aus genetischen Gründen. Man kann das daran sehen, dass die Rekorde in fast allen Sportarten bei Männern höher, schneller und weiter sind als bei Frauen. Man kann das daran sehen, dass Sportler versuchen, ihre Leistung zu erhöhen, in dem sie Anabolika nehmen, also Hormone, die eine dem anabolen, also aufbauenden Stoffwechsel förderliche Wirkung haben – und zufällig männliche Geschlechtshormone sind. Man kann das daran sehen, dass trans Frauen, wenn sie zu den Wettbewerben von Frauen zugelassen werden, stets die oberen Plätze belegen. Frauen den Sport als exklusiven Raum nehmen, bedeutet Frauen die Mög­lichkeit zum fairen, sportlichen Wettbewerb nehmen, weil man sie zwingt gegen Menschen anzutre­ten, die einen biologischen Vorteil haben, der auch nach einer Transition fortbesteht. Es verlangt Frauen die Härte ab, sich das Ohnmachtsgefühl anzutun, gegen Körper anzutreten, gegen die sie kaum eine Chance haben. Und in Kontaktsportarten ist es auch schlicht gefährlich für die Frauen. Die Gleichbehandlung von Ungleichen stellt Ungleichheit her.

Literatur:

Die zitierte Literatur wird empfohlen.

  

5. Die negative Aufhebung der Kindheit

Menschen kommen unfertig und hilflos auf die Welt, nicht nur körperlich, sondern auch geistig. Die Kindheit ist allerdings ein Prozess der Reife. Die bürgerliche Erziehung tendiert dazu, die Kindheit metaphysisch aufzufassen und Kinder werden verdorben, indem sie wie Puppen behandelt werden. Die proletarische Erziehung erzieht die Kinder so früh wie möglich durch kindgerechte Arbeit zu Selbständigkeit und Verantwortung für das Kollektiv. Allerdings leugnen wir nicht den qualitativen Unterschied von Kindern und Erwachsenen. In der Adoleszenz findet ein qualitativer Sprung statt.

Deshalb sind wir für das Konzept von Erziehung und Vormundschaft. Denn Kindern und auch teil­weise noch Jugendlichen fehlt die intellektuelle Reife von Erwachsenen, und sie brauchen ihnen wohlwollend gesinnte Erwachsene, die sie erziehen und bevormunden. Kinder sind Schutzbefohle­ne.

Die Transition von Kindern ist eine weitestgehend irreversible Verstümmelung, und die soziale Transition ist der erste Schritt auf einem Weg der über Pubertätsblocker und Hormonbehandlung bis zur Operation führt, und Sterilität, mangelnde Fähigkeit zum Orgasmus und etliche andere gesund­heitliche Probleme einschließt. Die Behauptung, dass Kinder eine Entscheidung dieser Tragweite fällen können, leugnet den Unterschied zwischen Kindern und Erwachsenen und erkennt den Kin­dern den Status der Schutzbefohlenheit ab. Dazu passend wollen Queerfeministen Eltern das Recht nehmen und haben das teilweise auch gesetzlich durchgesetzt, ihre Kinder in dieser Frage zu bevor­munden.

Die Rebellion von Eltern gegen diese Einschränkung ihrer Rechte durch Staat und Pharmaindustrie ist gerechtfertigt. Wenn Pädagogen, Psychologen, Ärzte und der Staat durchsetzen, dass die Phar­maindustrie sich an der Verstümmelung des eigenen Kindes bereichert, weil sie unter Schützenhilfe von Social Media ihm einreden, im falschen Körper zu sein, dann rebellieren Eltern dagegen mit vollem Recht. Es ist ihre Pflicht, ihre Kinder vor so etwas zu schützen.

Die Leugnung des qualitativen Unterschieds von Kindern und Erwachsenen wird von den Queerfe­ministen betrieben, um das Recht auf Transition zu rechtfertigen. Die Behauptung, dass Kinder eine solch schwerwiegende und objektiv falsche Entscheidung fällen könnten, ist höchst problematisch, weil sie der Rechtfertigung von Pädophilie den Boden bereitet. Wenn man den qualitativen Unter­schied von Kindern und Erwachsenen leugnet, leugnet man auch das Machtgefälle zwischen ihnen und beraubt sich der Argumentationsgrundlage gegen eines der schlimmsten Verbrechen. Dieses Einfallstor wird auch von Leuten, die Pädophilie rechtfertigen wollen, genutzt.

Die queerfeministische Argumentation ist nicht bloß inhaltlich falsch, sondern politisch gefährlich. Jeder Kommunist, der außerhalb des akademischen Milieus lebt, arbeitet und kämpft, weiß, dass die proletarischen Massen die Queerfeministen für diesen Standpunkt abgrundtief hassen.

Literatur:

Gareth Roberts: Gay Shame. The Rise of Gender Ideology and the New Homophobia.

Helen Joyce: Trans. When Ideology Meets Reality.

  

IV. Der Nutzen des Queerfeminismus für die Bourgeoisie

Der Queerfeminismus nützt der Bourgeoisie. Der Queerfeminismus ist bürgerliche Ideologie. Die Bourgeoisie macht sich diese Ideologie aus allgemeinen und partikularen Interessen heraus zu ei­gen.

Zunächst ist Transidentifikation ein Geschäft. Die Pharmaindustrie hat darin einen wachsenden Markt. In den USA kosten Pubertätsblocker ungefähr 20.000 Dollar pro Monat; Hormontherapie ist nicht ganz so teuer, muss dann aber ein Leben lang erfolgen. Die Entfernung der Brüste oder die Implantierung von Silikon kosten ungefähr 10.000 Dollar. Die plastisch chirurgische Herstellung ei­nes Vagina-Imitats kostet 10.000-30.000 Dollar; falls Pubertätsblocker die Reife der Genitalien auf­gehalten haben, muss Gewebe aus Armen oder Beinen entnommen werden, was den Preis nach oben treibt. Die Operation der Phalloplastie für transidentifizierende Frauen, sogenannte Transmän­ner, kann bis zu 150.000 Dollar kosten. Daher investierten Pharamkonzerne zwischen 1998 und 2018 ca. 5 Millarden Dollar in queerfeministische Lobbyarbeit.

Aber auch Teile der Bourgeoisie, die kein direktes Geschäftsinteresse daran haben, machen sich die­se Ideologie zu eigen. Denn sie ist eine extrem individualistische Ideologie, die das Patriarchat rechtfertigt und das Volk spaltet. Der Queerfeminismus leitet die Unzufriedenheit der Massen mit dem Patriarchat in eine individualistische Bahn, die völlig ungefährlich ist für das Patriarchat und die Herrschaft der Bourgeoisie. Der Queerfeminismus spaltet das Volk vor allem dahingehend, dass er die idealistischen, akademischen Kleinbürger von den materialistischen, proletarischen Massen isoliert. Während die akademischen Kleinbürger sich einreden, dass die Welt so wäre, wie sie sie sich ausmalen, weiß jeder Prolet, dass das Blödsinn ist, und verachtet die idealistischen Kleinbürger aus seinem materialistischen Instinkt heraus. Die akademischen Kleinbürger verachten dann die proletarischen Massen dafür, dass diese nicht woke genug wären.

Woke Revisionisten kommen nicht damit klar, dass sie in dieser Frage auf der Seite der linkslibera­len Bourgeoisie stehen und imaginieren sich einen Konflikt, den es nicht gibt. Das Selbstbestim­mungsgesetz in der BRD oder die schwulenfeindliche Zwangstransition im Iran und in Pakistan zei­gen, wie sehr der Queerfeminismus zu den patriarchalen Zwecken der Bourgeoisie passt.

Ein Widerspruch besteht lediglich zwischen woker Ideologie und Konservatismus. Während sehr viel aus Sicht der Bourgeoisie für die woke Ideologie spricht, spricht auch einiges dagegen. Denn der postmoderne bürgerliche Individualismus macht die Leute auch untauglich für die reaktionäre bürgerliche Kollektivität von Nation, Familie und teilweise auch für die Ausbeutung. Die Hardcore-Individualisten taugen nicht als Mütter, Väter, Kanonenfutter oder Proletarier – aber eben auch nicht als Revolutionäre. Daher hat die Bourgeoisie einen widersprüchlichen Bezug auf dieses postmoder­ne Phänomen: Die woken Individualisten sind gut für den sozialen Frieden, weil sie das Volk spal­ten und zu nichts taugen, aber sie taugen halt auch zu nichts.

Die Verbreitung des Queerfeminismus in der revolutionären Bewegung hat auf sie eine zersetzende Wirkung und beraubt sie der Fähigkeit, sich mit den Massen zu verbinden. Der Queerfeminismus rechtfertigt metaphysisch das Patriarchat und erzieht unsere Genossen zu weinerlichen Individualis­ten, die sich vor der Verantwortung für ihr Handeln und ihr Leben drücken. Der Queer­feminismus ist eine reaktionäre Revision des Feminismus. Deswegen müssen wir dem Queerfemi­nismus entschieden entgegen treten.

  

1 Teilweise finden diese Dinge privat und profitorientiert, oder staatlich organisiert statt (Restaurants, Kindergärten, Krankenhäuser etc.), aber das kann die unbezahlte Hausarbeit in der Familie nicht ersetzen.

3 Zur Kritik des biologischen Determinismus siehe Kubi, Michael: https://internet-evoluzzer.de/mars-versus-venus/

4 Siehe Stock, Kathleen: Material Girls.

5 Helen Joyce: Trans. When Ideology Meets Reality. S. 81-84.

7 Helen Joyce: Trans. When Ideology Meets Reality. S. 159-168

8 Helen Joyce: Trans. When Ideology Meets Reality. S. 168 f.

3 Kommentare

  1. Ich finde den Text in dem was er sagt in der Hauptsache gut und schätze vorallem die Kritik an patriarchalen Vorstellungen von Queerfeministen die wichtig und richtig ist.

    Ich denke allerdings dadurch, dass a) der Text sehr missverständlich geschrieben ist und b) viele wichtige Punkte bei dem Thema Transidentität (bspw. Weitere Gründe oder welche konkreten Schritte können wir als Bewegung gehen) und c) viele Punkte einer genauere Erklärung bedürfen, dass der Text die Debatte zum Thema eher behindert. Viele Leute missinterpretieren den Text meiner Meinung nach und genau da liegt das Problem, dass dieser Text diese Missinterpretation überhaupt zu lässt.

    Ich hoffe auf weitere Veröffentlichungen zum Thema und dass diese auch der Diskussion verträglicher sind.

  2. ich bin eine trans Person und ich finde, wenn Leute, die dogmatisch Mao und trans-feindliche Feministinnen zitieren, mich zersetzend und reaktionär finden: Dann mache ich alles richtig.
    Eure Revolution ist nicht meine Revolution. Eure Revolution sieht vor, Menschen wie mich zu vernichten. Damit reiht sie sich natürlich wunderbar in jeden stalinistischen und maoistischen Vernichtungsscheiß ein, den es historisch so gab.
    Ihr seid nicht meine Genoss*innen. Ihr seid Steigbügelhalter des Faschismus. Ich wünsche mir von euch, künftig zu (trans)feministischen Themen die Schnauze zu halten.
    Solidarische Grüße,
    <3 siri

  3. Ich glaube die Geschlechterfrage ist in der kommunistischen Bewegubg immernoch nicht ausreichend theoriesiert, bzw Menschen lesen die wichtigen Werke einfach nicht. Ihr habt ja wenigsten Simone de Beauvoir und Gerda Lerner herangezogen und ich befürworte die marxistische Herangehensweise an „Geschlechtsidentitäten“. Mir ist aufgefallen, dass bei dem Thema häufig in reaktionäre bis bürgerliche Ideologien abgerutscht wird. Bei euch sehe ich ersteres leider teilweise und ich werde euch jetzt auch genau darlegen warum. Dabei will ich mich nicht an einzelnen Sätzen oder historischen Ungenauigkeiten aufhängen sondern nur das behandeln, was meiner Meinung nach den Kern der Sache ausmacht.

    Ihr sprecht die Profitinteressen der Pharmaindustrie hinter der „Trans-ideologie“ an, dass ist ein interessanter Punkt, sagt aber meiner Meinung nach mehr über den Kapitalismus als solchen als über Trans-identitäten aus. Kommodifizierung von transgender Bedürfnissen und Identität passiert natürlich im Kapitalismus und natürlich versuchen Konzerne ihren Markt auszubreiten und natürlich möchten sie Menschen Sachen verkaufen die sie eigentlich nicht brauchen. Das liegt aber an der Form der kapitalistischen Logik und hat nichts mit dem Inhalt, also der Transidentität zu tun. Die Tatsache, dass es „männliche“ und „weibliche“ Produkte gibt, egal ob Shampoo, Parfüm oder eine pinke oder blaue Zahnbürste um „Geschlechtsidentitäten“ zu festigen oder überhaupt erst zu konstruieren ist in sich kapitslistisch. Aber das wisst ihr ja auch. Dieses falsche Bewusstsein kann aber bei trans wie auch bei cis Menschen gleichermaßen auftreten. Ein proletarischer Mann der auf keinen Fall „Frauenprodukte“ benutzen möchte ist nicht weniger schädlich für die proletarische Frauenbewegung als eine Trans-Person, die eben genau auch nur diese Produkte zur Bestätigung ihrer „Identität“ nutzt.

    „Was das Proletariat inherent ablehnt ist schlecht“ ist so ein unmarxistischer Take. Auch das Proletariart hat keine proletarische-Sachen-Machen Kraft und ist genauso im reaktionären Denken gefangen wie der Rest der im Kapitalismus sozialisierten Menschen. Wenn Proletarier also feindselig gegenüber trans-Personen sind kommt das nicht weil sie darin bürgerliche Ideologie erkennen sondern gerade weil sie selbst in der bürgerlichen Ideologie der starren Geschlechterrollen gefangen sind und nicht in Klassenkategorien denken. Trans und non-binäre Menschen stellen eben gerade die Rollenbilder in Frage dadurch, dass sie nicht dem Erwarteten entsprechen. Trans und non-binäre Identitäten können also, wenn sie progressiv gedacht werden, als Übergang zum gender-abolitionismus dienen, also der Abkehr von allen Zuschreibungen auf Grund des bei der Geburt festgestellten Geschlechtes. Das muss stets das Ziel sein. Wir wissen von Simone de Beauvoir das Gender ein Konstrukt ist. „Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es“ Und wer an der Abschaffung dieses Konstruktes arbeitet ist erstmal mein*e Genoss*in. Natürlich gibt es auch Menschen mit einer trans Identität, die negative Stereotype zB über Frauen durch ihr auftreten aktiv fördern. Das muss bekämpft werden. Aber dazu muss man sich nicht als trans identifizieren. Frauen die SchönheitsOPs verherrlichen und Sexarbeit glorrifizieren tun das genauso. Idealerweise arbeiten wir auf eine Welt hin, in der es keine Geschlechtsidentitäten mehr braucht, dann verschwindet die dazugehörige Ideologie von ganz alleine.

    All in all, ich fand euren Text spannend und er beinhaltet ein paar gute Punkte. Die Betrachtung ist aber zu einseitig und verkennt das revolutionäre Potential unserer real-existierender trans Genoss*innen. Es ist schließlich zu beobachten, dass der prozentuale Anteil von trans Personen in der kommunistischen Bewegung überdurchschnittlich hoch ist. Wo kommt das wohl her? Vermutlich vom infrage stellen der bürgerlichen Geschlechtsideologie. Das dabei darauf geachtet werden muss, dass diese auch tatsächlich durch eine proletarische ersetzt wird ist unsere gemeinsame Aufgabe. Aber was ist die proletarische Antwort auf die traditionel als „Frauenfrage“ bezeichnete Frage? Die proletarische Frauenrevolution geht über ein bürgerliches „gleiche Rechte für alle“ hinaus. Sie fordert ein Ende jeglicher Ausbeutung des Menschen durch den Menschen. Ob im Arbeitsverhältnis oder in den intimsten sexuellen Beziehungen. Sie fordert die wissenschaftliche Trennung von der unwissenschaftlichen Zusammenführungen von Geschlecht mit irgendwelchen Eigenschaften und schließlich die komplette Aufhebung aller konstruierten Unterschiede. Die Abschaffung „des Anderen“.

    Trans Menschen per se vorzuwerfen sich diese Identitäten zuzuschreiben und dafür zu kämpfen diese ausleben zu dürfen ist also ungefähr so, als würde man Arbeitern vorwerfen zu beginnen für bessere Lebebsbedingungen zu streiken statt für die Abschaffung des Kapitalismus. Solch ein Streik kann zu Reformismus verleiten, er kann aber auch ein Momentum für die kommunistische Bewegung werden.

Kommentare sind geschlossen.