Thesenpapier: Das Patriarchat im Kapitalismus und seine Abschaffung

These 1: Die bürgerliche Kleinfamilie als Keimzelle der Gesellschaft
Im Kapitalismus ist die Produktion von der Reproduktion der Arbeitskraft getrennt. Die Produktion findet in Form der Ausbeutung des Proletariats durch die Bourgeoisie zwecks Profit statt. Das erfordert die fortwährende Reproduktion der Arbeiterklasse, in größerem Ausmaße als ihrem Verschleiß. Einerseits erfordert es die Reproduktion als unmittelbare Wiederherstellung der Arbeitskraft zum nächsten Arbeitseinsatz und andererseits als Reproduktion der Arbeiterklasse im nationalen Rahmen, sprich der Aufzucht des Nachwuchses.
Zu diesen Zwecken hat die Bourgeoisie die vorgefundene patriarchale Arbeitsteilung umgestaltet und die Familie zur Keimzelle der bürgerlichen Gesellschaft gemacht. In dieser wird die notwendige Arbeit zur Reproduktion der Arbeitskraft privat organisiert und hauptsächlich von Frauen geleistet.

These 2: Der widersprüchliche Bezug von Staat und Kapital auf das Patriarchat
Die Bourgeoisie und der bürgerliche Staat beziehen sich widersprüchlich auf das Patriarchat. Einerseits haben sie ein Interesse, die für sie nützliche patriarchal organisierte Arbeit zur Reproduktion der Arbeitskraft bestehen zu lassen. Anderseits haben sie ein Interesse an der weiblichen Arbeitskraft, um auch sie ausbeuten zu können und relativieren deshalb die patriarchale Unterdrückung und Ausbeutung. Dies führt zu der durchgesetzten Form des Patriarchats in imperialistischen Staaten: der doppelten Unterdrückung und Ausbeutung der Frau.
Zusätzlich zur patriarchalen Ausbeutung wird sie als Lohnarbeiterin ausgebeutet. Als Zuverdienerin arbeitet sie deshalb oft in schlecht bezahlten Teilzeitjobs und ihr geringer Lohn reproduziert ihre ökonomische Abhängigkeit vom Mann als Hauptverdiener. Die Arbeit, der sie nachgeht, ist entsprechend der patriarchalen Geschlechterrollen, die aufgrund ihrer Nützlichkeit vom Kapital reproduziert werden, häufig Erziehungs- oder Pflegearbeit.

These 3: patriarchale Ideologie und gesellschaftliche Praxis bedingen sich einander
Die gesellschaftliche Stellung der Frau, ihre Funktion als Verantwortliche für die Reproduktion der Arbeitskraft, ihre begrenzte Teilhabe am Produktionsprozess und ihre daraus resultierende ökonomische Abhängigkeit vom Mann bringen ein patriarchales Weltbild hervor. Von Frauen wird einerseits verlangt, einem weiblichen Ideal zu entsprechen, das anderseits als ihre Natur behauptet wird.
Diese Ideologie hat wiederum eine gesellschaftliche Praxis zur Folge, die einhergeht mit einem Rechtsanspruchsdenken von Männern auf Reproduktion ihrer Arbeitskraft, Kompensation der Härten der Konkurrenz und sexueller Befriedigung durch Frauen, das sie gegebenenfalls mit Gewalt durchsetzen, wenn es ihnen verwehrt bleibt. Die patriarchale gesellschaftliche Praxis bringt wiederum patriarchale Ideologie auf einer neuen Stufenleiter hervor. Zu patriarchaler Ideologie und Praxis können auch Frauen sich affirmativ stellen.

These 4: proletarischer Feminismus bis zum Kommunismus
Notwendige Bedingung zur Abschaffung des Patriarchats ist die Abschaffung des Eigentums und damit die Aufhebung des privaten Charakters der Produktion und Reproduktion der Arbeitskraft. Das kann erst im Sozialismus begonnen und Kommunismus vollendet werden, wenn die gesellschaftlich organisierte Produktion und Verteilung von Gebrauchswerten die Familie überflüssig macht und die Erholung der Arbeitskräfte, die Erziehung der Kinder und die Pflege der Alten und Kranken eine gesellschaftliche Aufgabe ist, die kollektiv gelöst wird.
Gleichzeitig kann die Revolution nur erfolgreich sein, wenn sie die Frauen befreit, da das Proletariat sich nur selbst befreien kann, wenn es alle Menschen befreit und Frauen die Hälfte der Bevölkerung ausmachen. Patriarchat und Kapitalismus lassen sich nicht isoliert voneinander abschaffen, weshalb die Befreiung der Frau grundsätzlich eine revolutionäre Forderung ist.

Literatur:

Der Sperling:
Das Patriarchat im Kapitalismus und seine Abschaffung

Friedrich Engels:
Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staat