Thesenpapier: Thesen zum imperialistischen Krieg Russlands gegen die Ukraine im Kontext der Weltlage

These 1: Grund und Charakter des Krieges
Der Krieg Russlands gegen die Ukraine ist ein imperialistischer Krieg. Er ist eine taktische Offensive in der strategischen Defensive des russischen Imperialismus gegenüber der militärischen Einkreisung1 durch den US-Imperialismus. Die für Russland bedrohlichste Einkreisungsmaßnahme war der Putsch in der Ukraine 2014. Nachdem die Janukowitsch-Regierung sich erdreistete das EU-Assoziierungsabkommen abzulehnen, offenbarten die westlichen Imperialisten ihre wahre Haltung zum Selbstbestimmungsrecht der Nation, indem sie die missliebige Regierung beseitigte. Das Selbstbestimmungsrecht der ukrainischen Nation wird nun durch die russische Besatzung verletzt, um das ukrainische Territorium und Volk den militärischen und ökonomischen Zwecken des US-Imperialismus und seiner imperialistischen Verbündeten zu entziehen und für die eigenen militärischen und ökonomischen Zwecke zu sichern. Der gerechtfertigte nationale Befreiungskrieg des ukrainischen Volkes gegen die Besatzung wird von den westlichen Imperialisten als Stellvertreterkrieg gegen Russland genutzt und von Sanktionen ergänzt, die darauf abzielen die militärische und ökonomische Macht Russlands zu zerstören.

These 2: Der interimperialistische Widerspruch zwischen USA und Russland
Der US-Imperialismus will seinen Status als hegemoniale imperialistische Weltmacht verteidigen und ausbauen. Für diesen Zweck will er den einzigen militärischen Konkurrenten ausschalten, um noch freier in der Handhabung des Widerspruchs zwischen Imperialismus und unterdrückten Nationen zu werden (Obama:“Russland ist eine Regionalmacht“); auch damit dieser kein nützlicher Bündnispartner für den aufsteigenden noch hauptsächlich ökonomischen, aber bald auch militärischen Rivalen China ist.2 Wohingegen Russland sich langsam vom ökonomischen Bankrott der sozialimperialistischen Sowjetunion erholend, seine Rolle als imperialistische Weltmacht verteidigen will, und versucht Deutschland, die EU und China für sich als Verbündete zu gewinnen, nachdem die USA keine Partnerschaft akzeptiert hatten.

a) Die ökonomische und militärische Macht der USA
Die US-Bourgeoisie ist die ökonomisch potenteste, imperialistische Macht der Welt. Sie verfügt nicht nur über einen riesigen Binnenmarkt, natürliche Ressourcen und eine große Menge hinreichend qualifizierter Arbeitskraft, sondern exportiert ihr Dollar-Kapital in alle Welt, und macht sich die Reichtumsquellen dort zu Nutze. Um ihr Kapital überall hin exportieren zu können, brauchen die USA eine militärische Macht, die weltweit amerikanische Interessen verteidigen kann. Aufgrund dessen dass der Dollar Weltgeld ist, und von allen Kapitalisten, die auf dem Weltmarkt agieren wollen gebraucht wird, investieren alle Kapitalisten in den USA, sodass diese sich bei der ganzen Welt verschulden können, und die entsprechende Militärmacht finanzieren können.3 So halten sich die USA Militärbasen auf allen Kontinenten, eine Luftwaffe, Marine und ein Heer, das jederzeit gleichzeitig drei bis fünf Kriege in aller Welt führen können, und das zweit größte Atomwaffenarsenal der Welt.

b) Die ökonomische und militärische Macht Russlands
Russland exportiert hauptsächlich Rohstoffe und Waffen. Das russische Finanzkapital ist hauptsächlich eine Verschmelzung aus Bankkapital und Rüstungsgüter produzierendem Industriekapital oder Rohstoffe förderndem und vertreibenden Industrie- und Handelskapital.4 Somit hat die militärische Macht Russlands eine gewisse ökonomische Grundlage, aber beruht hauptsächlich auf dem sowjetischen Erbe. Russland ist neben den USA die einzige imperialistische Macht, die unabhängig vom US-Imperialismus also gegen dessen Interessen global Krieg führen kann. Das heißt Russland ist eine Weltmacht, die unabhängig den Widerspruch zwischen Imperialismus und unterdrückten Nationen handhaben kann. Somit ist Russland trotz seiner ökonomischen Schwäche noch der wich­tigste imperialistische Konkurrent des US-Imperialismus.

These 3: Widersprüche innerhalb des Westens
Die USA ordnen sich andere imperialistische Länder wie Deutschland, Frankreich und Großbritannien unter, um ihre ökonomischen und militärischen Mittel für sich einspannen, während diese sich von der Unterordnung unter die USA Rücksichtnahme auf ihre Interessen bei der gemeinsamen Handhabung des Widerspruchs zwischen Imperialismus und unterdrückten Nationen und zu imperialistischen Rivalen wie Russland und China versprechen. Das streicht den Gegensatz zwischen den westlichen Imperialisten allerdings nicht durch. Auch diese bleiben in ihrer Kooperation Konkurrenten („Fuck the EU!“, Nord Stream 2). Im Gegensatz zu den USA hat Deutschland bedeutendes Interesse an Russland als Absatzmarkt und Energielieferant.

These 4: Deutsche Mobilmachung
Der deutsche Imperialismus nutzt die Eskalation des interimperialistischen Widerspruchs mit Russland als Rechtfertigung einer massiven Aufrüstung, um die von den USA zugedachte militärische Rolle in der Kontrolle Osteuropas, Nordafrikas und Westasiens annehmen zu können, und darüber hinaus unabhängiger von den USA und Frankreich zu werden, also auch im interimperialistischen Widerspruch des eigenen Bündnisses seine Interessen besser durchsetzen zu können. Dies geht einher mit dem Versuch einen militaristischen Konsens herzustellen, damit der Klassenkampf innerhalb der BRD nicht beim wiederholten Griff nach der Weltmacht zum Problem wird. Gleichzeitig wird die Opposition aktiv unter antisemitische und reaktionäre Führung bugsiert.

These 5: Die Stellung der Kommunisten zum imperialistischen Krieg Russlands
Die Ukraine ist die Beute um die sich die russischen und westlichen Imperialisten miteinander schlagen. Während die westlichen Imperialisten nach ihrem Putsch die Unabhängigkeit der Ukraine zumindest formell anerkannt haben, weil sie ihre Interessen durch ökonomische, militärische und politische Abhängigkeiten der ukrainischen Kompradorenbourgeoisie auch ohne militärischen Zwang durchsetzen konnten, bricht der russische Imperialismus das Selbstbestimmungsrecht der ukrainischen Nation aktuell mit militärischer Gewalt und wurde darüber zum Hauptfeind des ukrainischen Volkes. Die Rebellion des ukrainischen Volkes ist gerechtfertigt, obwohl sie unter bürgerlicher Führung stattfindet. Proletarischer Internationalismus besteht nicht darin über das bürgerliche Bewusstsein der Massen und die mangelnde Existenz einer Kommunistischen Partei in der Ukraine oder Deutschland zu jammern, sondern das Bewusstsein der Massen zu heben, und die Kommunistische Partei zu rekonstituieren. Das tut man nicht, indem man einem Imperialisten die Daumen drückt, sondern indem man einen Beitrag zum ideologischen Klassenkampf leistet, und die Massen politisiert, mobilisiert, und organisiert – und vor allem tut man es nicht, indem man die Parole „Proletarier aller Länder und unterdrückte Völker vereinigt euch!“ relativiert. Der Kampf für das Selbstbestimmungsrecht der Nationen kann national nur siegreich sein durch eine neudemokratische oder sozialistische Revolution und international nur durch die proletarische Weltrevolution. Dafür muss er zu diesem Ziel geführt und nicht jämmerlich verworfen werden, weil er nicht konsequent genug sei.

Literatur:

Der Sperling:

https://dersperling.noblogs.org/post/2022/03/06/zum-krieg-in-der-ukraine/

https://dersperling.noblogs.org/post/2023/01/19/der-imperialistische-krieg-russlands-gegen-die-ukraine-im-kontext-der-weltlage/

Lenin:

https://www.marxists.org/deutsch/archiv/lenin/1917/imp/

https://www.marxists.org/deutsch/archiv/lenin/1915/krieg/kap1.htm

https://www.marxists.org/deutsch/archiv/lenin/1916/01/nationen.html

1 Kronauer, Jörg: Meinst du, die Russen wollen Krieg? Russland, der Westen und der zweite Kalte Krieg. Köln 2018. S. 81-117.

2 Kronauer, Jörg: Der Aufmarsch – Vorgeschichte zum Krieg. Russland, China und der Westen. Köln 2022.

3 Tooze, Adam: Crashed. How a Decade of Financial Crises Changed the World. London 2018.