Thesenpapier: Einführung in die Kapitalismuskritik

These 1: Eigentum und Tausch, die Grundlage des Kapitalismus
Im Kapitalismus sind alle Dinge Privateigentum. Das heißt, dass Privatpersonen die Verfügungs­macht über sie haben und im Gegenzug alle anderen von ihnen ausschließen können. Eigentum ist also kein Verhältnis zu einer Sache, sondern ein gesellschaftliches Verhältnis zwischen unterschied­lichen Willen. Daraus folgt, dass die Menschen von den Dingen, die sie brauchen, um ihre Bedürf­nisse zu befriedigen, erst einmal ausgeschlossen sind. Deshalb müssen sie tauschen.
Im Tausch beziehen sich zwei Personen als Eigentümer aufeinander. Darin steckt ein Widerspruch. Man möchte fremdes Eigentum haben und muss dafür eigenes Eigentum weggeben. Das, was ei­nem selbst gehört, benutzt man als Hebel, um von dem anderen zu erhalten, was man wirklich ha­ben will. Seinen rechtlichen Ausdruck hat der Tausch im Vertrag.

These 2: Geldvermehrung als Zweck der Produktion
Geld ist die allgemeine Zugriffsmacht auf gesellschaftlichen Reichtum. Es hat die Qualität gegen alle Dinge getauscht werden zu können. Es ist also das Mittel, mit dem man sich die Objekte seiner Bedürfnisse beschaffen kann. Weil man durch das Eigentum von diesen getrennt ist, muss man an Geld kommen.
Nützliche Dinge werden deshalb nicht hergestellt, um Bedürfnisse zu befriedigen, sondern um ge­gen Geld getauscht zu werden. Sie sind Waren. Ihr Zweck ist es, durch den Verkauf einen höheren Erlös zu erzielen, als ihre Produktion gekostet hat, also Profit zu machen. Dieser Zweck ist maßlos.

These 3: Die Trennung der Gesellschaft in Klassen
Die Tatsache, ob man nun schon über Geld verfügt oder nicht, bestimmt über die Art und Weise wie man Geld verdienen kann. Hat man keines, braucht man jemanden, der genügend hat und einen für das Arbeiten bezahlt. Andersherum kann man, wenn man genug Geld hat, Leute für sich arbeiten lassen und so sein Geld vermehren. So wird die Gesellschaft durch das Eigentum in zwei Klassen geteilt, Bourgeoisie und Proletariat.
Die Bourgeoisie nutzt die in ihrem Geld steckende Zugriffsmacht und beschafft sich damit die zur Herstellung von Waren nötigen Produktionsmittel. Sie kauft Rohstoffe, Maschinen und Arbeitskraft. Kraft ihres Eigentums an den Produktionsmitteln erlangt sie die Kommandogewalt über den Pro­duktionsprozess. Was, wann, wo und wie produziert wird, ist ihre Entscheidung.
Arbeiter sind in doppelten Sinne frei. Einerseits politisch, d. h. sie können frei entscheiden, ob sie arbeiten. Andererseits auch frei, also ausgeschlossen, von den Mitteln der Bedürfnisbefriedigung und denen ihrer Produktion. So wird ihre Freiheit zum ökonomischen Zwang, Geld verdienen zu müssen. Sie müssen die einzige Ware, die sie besitzen und die dafür taugt, verkaufen: ihre Arbeits­kraft.

These 4: Lohnarbeit ist immer Ausbeutung
Der Lohn ist der Preis der Ware Arbeitskraft. Der Kapitalist kauft sich die zeitweise Verfügung über sie und wendet sie an. Einen Teil der Arbeitszeit reproduziert der Arbeiter den Wert seiner Arbeits­kraft, alles darüber hinaus ist Mehrarbeit, die sich der Kapitalist aneignet. Dadurch schafft der Ar­beiter einen größeren Wert, als den seiner Arbeitskraft und somit einen Mehrwert für den Kapitalis­ten. Deshalb ist Lohnarbeit notwendigerweise immer Ausbeutung.
Der Kapitalist ist ständig bemüht, den Lohn zu senken, weil er ein Abtrag von seinem Profit ist. Die Arbeiter hingegen haben ein Interesse an höherem Lohn, weil er ihre materielle Existenzbedingung darstellt. Der Kapitalist strebt außerdem nach einem Maximum an Verausgabung von Arbeitskraft, also Leistung, um seinen Profit zu steigern. Die Klassen stehen im Widerspruch zueinander.

These 5: Die Konkurrenz der Kapitalisten
Die Kapitalisten betreiben die Vermehrung ihres Reichtums gegeneinander. Als Verkäufer ihrer Wa­ren konkurrieren sie um die begrenzte Zahlungsfähigkeit derer, die ihre Produkte kaufen, also um Absatz. Das tun sie branchenübergreifend. In dieser Konkurrenz gibt es notwendigerweise Gewin­ner und Verlierer. Ihr Interesse am Profit wird darüber zum „Sachzwang“.
Hauptsächliches Mittel um sich in dieser Konkurrenz durchzusetzen ist es, den Preis ihrer Waren zu senken und dadurch mehr zu verkaufen als die Konkurrenz. Sie müssen also rentabler produzieren lassen, als die anderen, also effektiver ausbeuten.

These 6: Technologischer Fortschritt als Mittel der Konkurrenz
Weil die Lohnkosten immer ein Abtrag vom Profit des Kapitalisten sind, versucht er diese zu sen­ken. Zum einen drückt er die Löhne, zum anderen erhöht er kontinuierlich die Produktivität seines Kapitals. So wird technologischer Fortschritt zum Mittel, um die Lohnstückkosten zu senken, um in der gleichen Arbeitszeit mehr Waren herzustellen, also den Anteil der in der einzelnen Ware enthal­tenen bezahlten Arbeit zu senken. Auf diese Weise macht er die hergestellten Waren billiger, kann dadurch seine Konkurrenten beim Preis unterbieten und sich so ihre Marktanteile sichern.
Dadurch macht er Arbeiter überflüssig. Als Arbeitslose werden sie Teil der „Reservearmee“ des Ka­pitals, das auf sie zugreifen kann, falls es sie benötigt. Gleichzeitig steigt so die Konkurrenz der Ar­beiter untereinander, was das Lohnniveau senkt. Die Arbeiter, die weiterhin benötigt werden, erfah­ren keine Entlastung im Arbeitsalltag.

These 7: Überproduktion, der Grund für die wiederkehrenden Krisen
Die einzelnen Kapitalisten produzieren ohne Absprache miteinander ihre Waren für einen Markt, auf dem sich dann erst herausstellt, ob ihre Herstellung gesellschaftlich notwendig war. Weil zusätz­lich die Senkung der Lohnstückkosten auch ihre Gewinnspanne senkt, was sie durch den Verkauf von mehr Waren kompensieren wollen, kommt es regelmäßig dazu, dass mehr Waren hergestellt wurden, als sich gewinnbringend verkaufen lassen. Die Kapitalisten bleiben auf ihren Waren sitzen. Einige Kapitalisten gehen dabei pleite und ziehen andere mit sich. Passiert das zu vielen, „herrscht“ Krise. Die Folgen sind Einstellung der Produktion, Entlassung der Arbeiter, Vernichtung der wertlo­sen Waren. Dadurch bricht auch die Zahlungsfähigkeit der Käufer ein und es wird noch weniger verkauft.


These 8: Die Notwendigkeit staatlicher Gewalt und ihrer Zerschlagung
Will man den Kapitalismus abschaffen, um Schluss zu machen mit einer Ökonomie, in der alle ihre Interessen gegeneinander verfolgen und dadurch jeder seinen Vorteil im Schaden anderer hat; in der vor allem eine Klasse ausgebeutet wird und durch das Eigentum ausgeschlossen ist von den Mitteln ihrer Bedürfnisbefriedigung und den Mitteln ihrer Produktion, muss man die Bourgeoisie enteignen und eine Ökonomie errichten, deren Zweck die Bedürfnisbefriedigung aller ist. Die dafür notwendi­gen technologischen Bedingungen sind längst erreicht.
Dafür muss man notwendigerweise den bürgerlichen Staat abschaffen, der mit seinem Recht und seiner Gewalt die Widersprüche in Kraft setzt und verwaltet, insbesondere das Eigentum garantiert und durchsetzt und so Ausbeutung ermöglicht. Man muss also die Diktatur der Bourgeoisie zer­schlagen und die Diktatur des Proletariats, den Sozialismus, aufbauen, als notwendigen Zwischen­schritt zum Kommunismus.

Literatur:

Karl Marx:
MEW 23. Das Kapital, Erster Band.
Lohn, Preis und Profit
Lohnarbeit und Kapital

GegenStandpunkt:
Arbeit und Reichtum